Der Azteke
Alters und diejenigen, welche bereits an einer anderen Krankheit litten, sowie jene, die von jeher von schwacher Konstitution gewesen waren, zu verschmähen. Ja, sie stürzte sich auf die Jungen, die Kräftigen und Lebensvollen und verschwendete ihre Tücke nicht an jene, welche aus anderen Gründen ohnehin nicht mehr lange zu leben hatten.
Daß wir mit den Blattern geschlagen wurden, ist einer der Gründe, warum ich bezweifle, daß Cuitláhuac jemals etwas unternahm, um den im See versenkten Schatz zu heben. Die Krankheit kam gleich nach dem Auszug der weißen Männer über uns – nur Tage, nachdem wir den Unrat fortgeschafft hatten, den sie hinterlassen hatten, ehe wir uns von der Belastung der langen Besetzung hatten erholen können, ehe wir unser Leben als Gemeinwesen überhaupt dort wieder angefangen hatten, wo es unterbrochen worden war – deshalb weiß ich, daß der Verehrte Sprecher damals keinen Gedanken daran verschwendete, das Gold und die Edelsteine zu retten. Später, als die Krankheit zu einer verheerenden Epidemie geworden war, hatte er andere Gründe, diese Aufgabe hintanzustellen. Versteht ihr, wir waren eine lange Zeit hindurch von allen Nachrichten über den Rest der Welt außerhalb des Seengebietes abgeschnitten. Kaufleute und Boten von anderen Völkern weigerten sich, unser befallenes Gebiet zu betreten, und unseren eigenen Pochtéca und Reisenden verbot Cuitláhuac, woanders hinzugehen und die Ansteckung womöglich dort hinzutragen. Ich glaube, es waren vier volle Monde nach der Traurigen Nacht vergangen, ehe einer unserer in Texcála stationierten Quimíchime-Mäuse den Mut aufbrachte, von dort zu uns zu kommen und uns zu berichten, was in dieser Zeit alles geschehen war.
»Wisset also, Verehrter Sprecher«, sagte sie zu Cuitláhuac und den anderen, darunter mir, denen sehr daran gelegen war, ihn zu hören, »Cortés und seine Leute ruhten sich zunächst einmal nur aus, aßen gierig, kurierten ihre Verwundungen aus und waren überhaupt mit nichts anderem beschäftigt, als wieder richtig auf die Beine zu kommen. Aber sie taten es nicht, um sich darauf vorzubereiten, weiter an die Küste zu ziehen, an Bord ihrer Schiffe zu gehen und diese Lande zu verlassen. Sie erholten sich nur zu einem einzigen Zweck: um Kraft zu sammeln und einen neuen Angriff auf Tenochtítlan vorzutragen. Jetzt, wo sie sich wieder erholt haben und aktiv sind, ziehen sie und ihre Gastgeber, die Texcaltéca, durch die gesamten Lande östlich von hier und rekrutieren immer mehr Krieger von Stämmen, welche den Mexíca nicht besonders freundlich gesonnen sind.«
Die Weibliche Schlange unterbrach die Maus, um eindringlich zum Verehrten Sprecher zu sagen: »Wir hatten gehofft, wir hätten sie für immer entmutigt. Da wir das nicht getan haben, müssen wir jetzt tun, was wir schon längst hätten tun sollen. Wir müssen sämtliche Streitkräfte zusammenziehen und gegen sie marschieren. Wir müssen auch noch den letzten weißen Mann töten, alle ihre Verbündeten und diejenigen, die sie unterstützen, jeden einzelnen von unseren abtrünnigen Tributpflichtigen, welche Cortés geholfen haben. Und wir müssen es jetzt tun, ehe er so stark ist, daß er genau dies mit uns macht.«
Matt sagte Cuitláhuac: »Welche Streitkräfte meint Ihr, sollen wir zusammenziehen, Tlácotzin? Es gibt in all den Truppen des Dreibunds kaum einen einzigen Krieger, der Kraft genug in beiden Armen hätte, seine eigene Klinge hochzuheben.«
»Verzeiht mir, Hoher Gebieter, aber es gibt noch mehr zu berichten«, sagte die Quimíchi. »Cortés hat auch viele seiner Männer an die Küste geschickt, wo sie und ihre Totonáca mehrere von den dort festgemachten Schiffen auseinandergenommen haben. Unter unvorstellbarer Mühe und Plackerei haben sie all diese vielen und schweren Stücke Holz und Metall den ganzen schwierigen Weg von der Küste über die Berge bis nach Tex-cála geschafft. Dort sind Cortés' Bootsbauer im Augenblick dabei, kleine Schiffe daraus zu bauen. Genauso, wie sie es hier zum Vergnügen des verstorbenen Motecuzóma getan haben, Ihr werdet Euch erinnern. Nur jetzt bauen sie viele davon.«
»Auf dem trockenen Land?« rief Cuitláhuac ungläubig. »In ganz Texcála gibt es kein Gewässer, das tiefer wäre, als daß mehr als ein Acáli darauf fahren könnte. Das klingt doch wahnsinnig.«
Zurückhaltend zuckte die Quimíchi mit den Achseln. »Cortés mag durch die Demütigung, welche er kürzlich hier erfahren hat, wahnsinnig geworden sein.
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