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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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sein Urin und seine Exkremente, aber auch sein Schweiß und sogar sein Atem – von einem dermaßen pestilenzialischen Gestank, daß weder abgehärtete Ärzte noch liebevolle Verwandte es in der Nähe des Opfers aushalten, bis endlich die Beulen aufbrechen, eine widerwärtige schwarze Flüssigkeit herausspritzt und der Leidende gnädig erlöst ist.
    Da ist jene Krankheit, welche ihr die Cholera nennt, deren Opfer in jedem Muskel des Körpers von Krämpfen befallen werden, entweder willkürlich einer allein oder alle auf einmal. Da kann es vorkommen, daß jemand Arme und Beine angstvoll verrenkt, um sie gleich darauf von sich zu strecken, als wolle er sich selbst zerreißen, und sein Körper sich dann zu einem qualvollen Knoten verkrampft. Zusätzlich wird er noch von einem ständigen Durst gequält. Wiewohl er Mengen von Wasser in sich hinein trinkt, erbricht er es sogleich wieder und kann weder seine Blase, noch seinen Darm beherrschen. Da er keinerlei Flüssigkeit bei sich behält, sieht er zuletzt, wenn er stirbt, aus wie eine alte verschrumpelte Bohnenschote.
    Da gibt es noch andere Krankheiten, welche ihr Masern und Warzenpocken nennt, die zwar nicht so qualvoll, aber gleich tödlich verlaufen. Die einzigen sichtbaren Symptome sind ein juckender Ausschlag im Gesicht und am Körper, doch ohne daß man es sieht, dringen diese Krankheiten ins Hirn ein, so daß das Opfer zuerst in Bewußtlosigkeit fällt und dann stirbt.
    Ich berichte euch nichts, was ihr nicht bereits wüßtet, ehrwürdige Patres, aber habt ihr jemals darüber nachgedacht? Die grauenhaften Krankheiten, welche eure Landsleute uns brachten, breiteten sich häufig schneller vor ihnen aus, als sie selbst marschieren konnten. Einige der Menschen, welche sie unterwerfen wollten, wurden unterworfen und waren tot, ehe sie überhaupt wußten, daß sie unterworfen werden sollten. Diese Menschen starben, ehe sie jemals gegen ihrer Eroberer kämpfen oder sich ihnen unterwerfen konnten, ja, ohne die Menschen, welche ihnen den Tod brachten, jemals zu Gesicht bekommen zu haben. Es ist durchaus möglich, daß es in abgelegenen Gegenden dieser Lande noch Menschen gibt, welche ein ganz zurückgezogenes Leben führen – Stämme wie die Rarámuri etwa oder die Zyú Huave –, die noch nicht einmal ahnen, daß es so etwas wie weiße Menschen überhaupt gibt. Gleichwohl ist es denkbar, daß diese Menschen elendiglich an den Blattern oder der Beulenpest zugrunde gehen und sterben, ohne daß sie wissen, daß sie erschlagen werden, oder warum oder von wem.
    Ihr habt uns die christliche Religion gebracht, und ihr versichert uns, daß der Herrgott uns nach unserem Tode mit dem Himmel belohnt, doch, wenn wir Ihn nicht anerkennen, wir zur Hölle verdammt sind, wenn wir sterben. Warum hat der Herrgott dann auch diese Heimsuchungen geschickt, welche töten und so viele Unschuldige zur Hölle verdammen, ehe sie Seine Missionare kennenlernen und von Seiner Religion hören? Die Christen werden ständig aufgefordert, den Herrgott und alle Seine Werke zu loben und zu preisen, wozu schließlich auch das Werk gehört, welches Er hier vollbracht hat. Wenn ihr, ehrwürdige Patres, uns nur erklären könntet, warum der Herrgott beschloß, Seine sanfte neue Religion im Gefolge dieser grausam-mörderischen neuen Krankheiten zu schicken, könnten wir, die wir sie überlebt haben, freudiger in die Lobgesänge auf Seine unendliche Weisheit und Güte einstimmen und Sein Mitleid, Seine Gnade und Seine väterliche Liebe preisen, die Er für Seine Kinder überall auf Erden hegt.
    Durch einstimmigen Beschluß wurde vom Staatsrat Cuautémoc zum nächsten Uey-Tlatoáni der Mexíca gewählt. Es ist reizvoll, sich zu überlegen, wie anders unsere Geschichte und unser Schicksal verlaufen sein würden, wäre Cuautémoc vor achtzehn Jahren beim Tod seines Vaters Ahuítzotl Verehrter Sprecher geworden, wie es ihm eigentlich zugestanden hätte. Reizvoll, das zu überlegen, aber selbstverständlich fruchtlos. »Wenn« ist ein kleines Wort in unserer Sprache – tla – wie in eurer auch, doch ich bin nachgerade zu der Überzeugung gelangt, daß es das belastetste Wort aller Wörter überhaupt ist.
    Der Tribut, welchen die Blattern forderten, senkte sich, als die Hitze des Sommers und der Regen nachließen, und zuletzt, als die ersten Winterfröste einsetzten, entließ die Krankheit das Seengebiet aus ihrem Würgegriff, ließ jedoch den Dreibund in jedem Sinne des Wortes geschwächt zurück. Alle Menschen

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