Der Azteke
waren zutiefst niedergeschlagen; wir grämten uns um die unzähligen Toten; wir bedauerten diejenigen, welche – für den Rest ihres Lebens grausam entstellt – überlebt hatten; wir hatten keine Kraft nach dieser schrecklichen langen Heimsuchung; wir waren jeder Einzelne und insgesamt völlig entkräftet. Unsere Bevölkerung war etwa um die Hälfte geschrumpft; zurückgeblieben waren hauptsächlich die Alten und ohnehin Siechen. Da diejenigen, welche zugrundegegangen waren, vornehmlich die jüngeren Männer gewesen waren, von den Frauen und Kindern gar nicht zu reden, waren unsere Heere um weit mehr als die Hälfte verringert. Kein vernünftiger Befehlshaber hätte ihnen befohlen, die sich zusammenziehenden Fremden anzugreifen, und selbst um ihren Verteidigungsnutzen war es zweifelhaft bestellt.
In diesem Augenblick, da der Dreibund schwächer war als jemals zuvor, zog Cortés wieder gegen uns zu Felde. Er rühmte sich nicht mehr des großen Vorteils der überlegenen Waffen, denn er verfügte nur mehr über weniger denn vierhundert weiße Soldaten, und wie viele Hakenbüchsen und Armbrüste diese noch mitführten, weiß ich nicht. Sämtliche Kanonen, welche er in der Traurigen Nacht zurückgelassen hatte – vier auf dem Dach von Axayácatls Palast und die rund dreißig, welche auf dem Festland aufgestellt worden waren –, hatten wir in den See geworfen. Aber er gebot immer noch über zwanzig Pferde und eine Anzahl von Jagdhunden sowie über alle schon früher oder erst in letzter Zeit gewonnenen eingeborenen Krieger – die Texcaltéca, die Totonáca und andere unbedeutendere Stämme sowie die Acólhua, welche immer noch Prinz Schwarz Blume folgten. Alles in allem verfügte Cortés wohl über eine Streitmacht von hunderttausend Mann. Wir vom Dreibund hingegen konnten in all den Städten und Landen – selbst wenn man weit abgelegene Gebiete wie Tolócan und Quaunáhuac dazuzählte, welche nicht eigentlich zum Bund gehörten, uns aber dennoch unterstützten – noch nicht einmal den dritten Teil an kampffähigen Männern auf die Beine stellen.
Als daher Cortés' lange Marschsäulen von Texcála auf die nächstgelegene Hauptstadt des Dreibunds – Texcóco – zumarschierten, nahmen sie sie. Ich könnte lange über die verzweifelten Verteidigungsbemühungen der geschwächten Stadt berichten, von den Verlusten an Gefallenen, welche die Verteidiger zufügten und erlitten, und von der Taktik, mit welcher sie schließlich zuletzt geschlagen wurden … doch wozu? Man braucht eigentlich nur noch zu sagen, daß sie in die Hand von Räubern fiel. Und zu diesen Räubern gehörten auch Prinz Schwarz Blumes Acólhua, welche gegen ihre Acólhua-Brüder kämpften, die ihrem neuen Verehrten Sprecher Cohuanácoch – oder richtiger gesagt, wohl ihrer Stadt Texcóco – treu ergeben waren. Und so kam es, daß in dieser Schlacht so mancher Acólhuatl die Klinge mit einem anderen Acólhuatl kreuzte, welcher sein leiblicher Bruder war.
Zumindest wurden Texcócos Krieger nicht alle beim Kampf um die Stadt getötet, und vielleicht zweitausend konnten entkommen, ehe sie dort in die Falle gerieten. Cortés' Truppen hatten die Stadt von der Landseite her angegriffen, und so gelang es den Verteidigern, als sie dem Ansturm nicht mehr standhalten konnten, sich langsam bis an den See zurückzuziehen. Dort nahmen sie jedes Fischer-, Vogelsteller-, Passagier- und Fracht-Acáli und auch alle eleganten Acáltin des Hofes und ruderten hinaus auf den See. Ihre Gegner, denen kein einziges Fahrzeug geblieben war, um sie zu verfolgen, konnten nur einen Pfeilhagel nach dem anderen zu ihnen hinüberschicken, doch richteten die Pfeile nur geringen Schaden an. So ruderten die Acólhua-Krieger über den See und schlossen sich unseren Streitkräften in Tenochtítlan an, wo wegen der vielen Toten in der letzten Zeit reichlich Platz war, sie alle unterzubringen.
Cortés wird aus seinen Unterhaltungen mit Motecuzóma wenn nicht aus irgendwelchen anderen Quellen gewußt haben, daß Texcóco nach Tenochtítlan die stärkste Bastion des Dreibunds war. So war er, nachdem er Texcóco so mühelos erobert hatte, zuversichtlich, daß er alle unsere anderen und kleineren Orte am See noch müheloser in die Hand bekommen könnte. Deshalb setzte er nicht sein gesamtes Heer auf diese Aufgabe an und befehligte sie auch nicht persönlich. Zur größten Verwirrung unserer Spione schickte er eine volle Hälfte seines Heeres zurück nach Texcála. Die andere Hälfte teilte
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