Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
Ensslin verstaute einen weiteren Sprengkörper in einem Karton und wollte zur Tarnung einen Blumenstrauß darauflegen, so daß das Paket wie ein Geschenk aussah. Baader und Holger Meins übernahmen die Gasflasche, packten sie in eine Segeltuchtasche und warfen ein Tuch darüber.
Am 11 . Mai 1972 , zwischen 18 . 59 und 19 . 02 Uhr, verwüsteten drei Rohrbomben Eingangsportal und Offizierscasino des V . US -Korps im IG -Farben-Haus in Frankfurt am Main.
Der Busfahrer Vömel sah den Explosionsblitz am Eingangsportal. Dann war alles voll Qualm und Rauch. Er dachte an eine Gasexplosion. »Man war ja noch nicht daran gewöhnt, daß Bomben seit dem Krieg wieder in die Luft gehen.« Zwei Militärpolizisten liefen mit gezogenen Waffen an ihm vorbei. Kurz darauf eine zweite Explosion. Vömel und andere, die neben ihm gestanden hatten, liefen über Trümmer und Glasscherben davon.
Im Casino explodierte eine dritte Bombe. Jemand rief: »Zieht euch die Jacken über den Kopf.« Viele Menschen waren von Glassplittern getroffen worden und bluteten. Sie flüchteten sich in den Keller, ohne zu wissen, warum. »Das ist vielleicht noch ein deutsches Erbe«, sagte der Busfahrer später, »wenn Bomben fallen, in den Keller zu rennen anstatt gleich raus.« Ein amerikanischer Soldat schrie: »Everybody out of the building!«
Leute irrten durch die Gänge, suchten einen Weg aus dem Gebäude. Plötzlich standen sie vor einer Tür, rüttelten, doch sie ging nicht auf. Einer sagte: »In der Tür sind überhaupt keine Scheiben mehr.« Sie kletterten hindurch, kamen blutend ins Freie.
Als die Bombe im Offizierscasino explodierte, dachte eine Serviererin zunächst an ein Gewitter. Dann aber blitzte und klirrte es, der Haupteingang und das Dach des Casinos stürzten ein. Die Frau rannte durch die Küche nach draußen. Dort sah sie einen amerikanischen Offizier, der wenige Minuten zuvor bei ihr die Rechnung bezahlt hatte. Oberstleutnant Paul A. Bloomquist, 39 Jahre alt, lag auf dem Boden, in seinem Hals steckte ein Stück der Glasscheibe aus der Casinotür. Niemand kam zu Hilfe, weil alle Angst hatten, es könne noch eine Bombe hochgehen. Bloomquist war ohnehin nicht mehr zu helfen.
Dreizehn Verletzte und ein Toter waren die Bilanz dieses Anschlags.
In der RAF -Erklärung, unterschrieben mit »Kommando Petra Schelm«, hieß es: »Für die Ausrottungsstrategen von Vietnam sollen Westdeutschland und Westberlin kein sicheres Hinterland mehr sein. Sie müssen wissen, daß ihre Verbrechen am vietnamesischen Volk ihnen neue, erbitterte Feinde geschaffen haben, daß es für sie keinen Platz mehr geben wird in der Welt, an dem sie vor den Angriffen revolutionärer Guerilla-Einheiten sicher sein können.«
Am nächsten Morgen wurde Gerhard Müller geweckt. Andreas Baader, Holger Meins und Gudrun Ensslin wollten nach München fahren, um dort als Rache für den Tod von Thomas Weisbecker eine Bombe zu legen. Müller sollte in Frankfurt bleiben, das Telefon bewachen und als Reserve zur Verfügung stehen. Beim Abschied machte Baader noch eine Andeutung: »In Augsburg wird es auch noch krachen.« Sie holten aus der Garage am Hofeckweg einen Wagen, beluden ihn mit Sprengkörpern und brachen auf.
An diesem 12 . Mai 1972 , kurz nach 12 . 15 Uhr, detonierten auf zwei Büroschränken in der Augsburger Polizeidirektion zwei Stahlrohrsprengkörper. Fünf Polizisten wurden verletzt.
Zwei Stunden nach der Explosion in Augsburg flog auf dem Parkhof des Münchner Landeskriminalamts ein mit Sprengstoff beladener Ford 12 M in die Luft. Sechzig Autos wurden demoliert. In sechs Stockwerken zerbarsten die Fensterscheiben.
Am 15 . Mai 1972 explodierte um 12 . 40 Uhr in Karlsruhe in der Klosestraße ein roter Volkswagen. Er gehörte dem Bundesrichter Buddenberg, am Steuer aber saß seine Frau.
Sie hatte ein paar Besorgungen machen und anschließend ihren Mann vom Bundesgerichtshof abholen wollen. Frau Buddenberg setzte sich ins Auto und warf ihre Tasche auf den Rücksitz. Sie drehte den Zündschlüssel herum und bemerkte Brandgeruch. Dann folgte eine Explosion. Frau Buddenberg wurde mit Autoteilen, Asche, Staub und Schmutz zugedeckt. Es gelang ihr, auf die Straße zu kriechen. Sie schrie laut um Hilfe: »Dies ist ein Anschlag der Baader-Meinhof-Gruppe. Bitte benachrichtigen Sie meinen Mann, den Bundesrichter Buddenberg.« Nachbarn schauten aus den Fenstern, unternahmen aber nichts. »Holen Sie doch meine Sachen, meine Sachen aus dem Auto«, rief
Weitere Kostenlose Bücher