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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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hieß, Grashof hänge durch, er bekomme kein Geld mehr, werde von der Gruppe fallengelassen: »Ein Herantreten an ihn, zwecks Vernehmung, scheint angebracht.«
     
    Eines Abends sei ein Gefängnisbeamter in seine Zelle gekommen, berichtete Grashof im Stammheim-Prozeß:
    »Hier ist jemand von der Polizei, der will sich mal mit Ihnen unterhalten.«
    »Ist nichts«, sagte Grashof.
    In dem Moment schob sich der BKA -Mann bereits durch die Tür. »Guten Tag, ich bin der Herr Klaus vom BKA . Sie werden mich ja kennen.«
    »Ja, ich kenn Sie aus den Akten. Sie sind der, der hier die Psychogramme entwirft. Der sich mit dem Schriftverkehr befaßt und die Unterlagen auswertet. Sie sind der, der hier Zuordnungen vornimmt, der Ulrike als Kopf, Andreas als Motor und Gudrun als Seele charakterisiert.«
    Klaus betrat die Zelle und wedelte mit einem Schriftstück: »Kennen Sie das?«
    »Wieso? Ich kenn gar nichts. Was wollen Sie?«
    Der BKA -Beamte deutete auf den Brief: »Das ist doch von Ihnen. Wir wissen ja Bescheid. Wir suchen hier einen Brief von Andreas Baader.«
    »Was für einen Brief?«
    »Sie wissen schon. Wenn Sie ihn nicht freiwillig herausgeben, dann müssen wir die Zelle durchsuchen.«
    »Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«
    »Brauchen wir nicht. Das kennen Sie ja.«
    Alfred Klaus begann, die Zelle zu durchsuchen. Grashof hatte das Gefühl, es ginge dem BKA -Beamten weniger darum, etwas zu finden, als mit ihm ins Gespräch zu kommen. Zwei Stunden wühlte Klaus in der Zelle herum, hob etwas an, sah unter das Bett. Er öffnete die Schranktür und sagte zu seinem Kollegen: »Guck mal hier, das ist ja wie bei Preußens. Na ja, wenigstens einer, der Ordnung hält.«
    Grashof antwortete einsilbig. Der typische Vater-Bulle, dachte er. Hans-Albers-Typ.
    »Du armer Junge«, sagte Klaus. »Ich kenne übrigens Holger. Ich kenn auch seine Familie. Ich komme auch aus Hamburg. Holger Meins … ja, vielleicht hättest du es sein sollen. Weißt du das? Einer in der Gruppe hat doch bestimmt, daß Holger stirbt. Vielleicht hätte es ja dich treffen sollen. Aber du bist ja schlau. Und mutig. Du hast das durchschaut.«
    Der BKA -Beamte versuchte, Grashof eine Entwicklung wie bei Horst Mahler schmackhaft zu machen: »Wenn man sich von der Gruppe trennt, muß man ja nicht gleich unpolitisch werden oder ein Verräter. Findest du das nicht auch?«
    Während der andere Beamte schweigend in Grashofs Papieren blätterte, sah Klaus den Gefangenen aus seinen stahlblauen Augen an: »Ich hab ja mal mit deinem Vater gesprochen. Ich weiß, wie das ist, lange Haare tragen und Ärger zu Hause. Ich hab ja auch einen Sohn.« Er machte eine Pause und blickte Manfred Grashof wieder an: »Ich weiß doch, du bist kein Mörder.«
    Grashof wurde wütend. Er war in Kaiserslautern des zweifachen Mordes angeklagt. »Jetzt ist aber Schluß. Hauen Sie endlich ab.«
    »Moment mal, wir sind noch nicht fertig«, sagte Klaus. Er bot Grashof einen Anwalt an. »Ich weiß ja, du hast kein Geld. Aber das ist nicht das Problem. Da findet sich immer einer.«
     
    Grashof wollte nicht. Er war schon wieder im Hungerstreik.

17. Kritik und Selbstkritik
    Zwei Jahre später wurde Manfred Grashof im Stammheimer Prozeß als Zeuge vernommen. Auf Antrag der Verteidigung sollte er Auskunft geben, ob die Disziplin während des Hungerstreiks durch Sanktionen aufrechterhalten worden war. Baaders Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Heldmann, fragte ihn:
    »Warum haben Sie denn wieder begonnen mit dem Hungerstreik?«
    »Das war eigentlich selbstverständlich. Ich habe es nur nicht sofort gebracht. Dieser Abbruch, diese Flucht, ist natürlich in der Hauptsache eine Wirkung der Isolation gewesen. Aber das ist überhaupt keine Entschuldigung …«
    Der Vorsitzende drängte: »Sie sind gefragt, warum Sie wieder fortgesetzt haben, Herr Grashof.«
    »Na ja, das habe ich eben erkannt, verdammt noch mal. Es ging da wirklich um eine existentielle Entscheidung. Verstehen Sie das?«
    »War das Ihre völlig freie, eigene Entscheidung?« wollte Heldmann wissen.
    »Ja sicher. Ich hatte überhaupt keinen Anlaß, an der Richtigkeit dieser Politik zu zweifeln. Natürlich hat die Gruppe gesagt: ›Hör mal, fang wieder an.‹ Meins hat mir geschrieben: ›Hast Du Dir in die Hosen geschissen, wasch sie Dir.‹ Dieser Brief ist wirklich ein unheimlich starker Ausdruck. Das war die Gruppe, die an mich schrieb, nicht nur Holger. Dieser Brief hat mir natürlich ungeheuer geholfen. Ich hab mich da nicht vor den

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