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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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. Juni« mitteilte. Albertz rief Bischof Scharf an. Die beiden Kirchenmänner wurden sich einig, daß Albertz sich zur Verfügung stellen solle, wenn sich die politischen Instanzen auf den Austausch einließen. In einem Gespräch mit Bürgermeister Klaus Schütz sagte Albertz, er würde den Auftrag nur als Pfarrer der Evangelischen Kirche durchführen. Er bestehe auf einer festen Zusage der politisch Verantwortlichen, daß keine gewaltsame Lösung der Geiselaffäre, wie etwa in Fürstenfeldbruck, geplant würde.
    Am Sonntag, dem 2 . März 1975 , hielt Albertz im Gemeindehaus Berlin-Schlachtensee den Gottesdienst: »Und der Herr sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du liebhast, und gehe hin in das Land Morija und opfere ihn daselbst zum Brandopfer auf einem Berg, den ich dir sagen werde.«
    Am Schluß seiner Predigt sagte Albertz: »Die Namen, die Bezüge, die Verwirrungen, die Verstrickungen, die Knechte, das ausgestreckte Messer, die Opfer, die Qual, die Hoffnung, den Gehorsam, den Glauben – heute, hier am 2 . März 1975 in Berlin – könnt ihr selber einsetzen.«
    Wenige Stunden später flog der Pfarrer nach Frankfurt. Durch die unterirdischen Straßen des Flughafenkomplexes, bewacht von Polizeiposten mit Maschinenpistolen, wurde er in einen Raum geführt, in dem die für den Abflug zusammengeführten Gefangenen saßen. Ein Tisch, ein paar Stühle, ein Transistorradio. Und Abhörmikrophone.
    Unmittelbar nach seiner ersten Begegnung mit den Häftlingen wurde Albertz von einem Beamten darauf hingewiesen, daß sich in der Zelle Abhörgeräte befänden. Albertz sprach den zuständigen Vorgesetzten darauf an: »Trifft das zu?«
    Der Polizeioffizier schüttelte den Kopf. Er sah Albertz nicht in die Augen.
    »Sie sind Beamter. Ich hoffe, daß ich mich auf Ihr Wort verlassen kann«, sagte Albertz und ging zu den Gefangenen.
    Der Abflug des bereitgestellten Lufthansa-Flugzeugs wurde im Fernsehen live übertragen. Horst Mahler war nicht dabei, als die Maschine startete. Er hatte einen Austausch abgelehnt.
     
    An Bord bekam Albertz Einblick in die Denkwelt der Terroristen: »Und da kam eben die klassische Antwort: Diese bundesrepublikanische Gesellschaft ist verrottet, marode und was weiß ich. Sie muß verändert werden mit Gewalt. Der Staat wird darauf mit brutaler Gewalt antworten. Er wird ein Polizeistaat werden. Und dann, wenn wir die Opfer geworden sind dieser Auseinandersetzung, wird sich das Volk erheben, und es wird die Revolution kommen, und wir werden ein freies Land sein. Und dies ist eben der entsetzliche Irrtum, daß die aus dem Staat etwas gemacht haben, was wir – die wir mal das Grundgesetz unterschrieben haben – uns nie hätten vorstellen können. Ich brauche mir ja nur anzuschauen, wie die Polizei zu meiner Zeit ausgesehen hatte, als ich noch Polizeisenator war, wie sie heute aussieht. Mondmenschen!«
    Die Maschine landete schließlich im jemenitischen Aden und setzte die Gefangenen ab. Nach seiner Rückkehr am 4 . März sagte Pfarrer Heinrich Albertz das Losungswort im Fernsehen: »So ein Tag, so wunderschön wie heute …«
    In der Nacht darauf wurde Peter Lorenz in einem Berliner Park freigelassen. Die Entführer hatten ihm noch ein paar Groschen mit auf den Weg gegeben, damit er seine Familie anrufen konnte.
    Wie gebannt die Stammheimer Gefangenen den Ablauf der Entführung am Fernseher verfolgten, erfuhr einer der Lorenz-Entführer, Till Meyer, später von Rechtsanwalt Klaus Croissant: »Wie hat der Staat, wann hat da was reagiert, was hat der Große Krisenstab, was hat der Kleine Krisenstab, wie haben die agiert? Das wurde im siebten Stock, also von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof, aufs heftigste und genaueste analysiert.«
    Ergebnis war der Plan der Stammheimer, mit einer ganz großen Aktion den Erfolg der »Bewegung 2 . Juni« zu übertreffen.
     
    Vom Chef der Berliner Senatskanzlei erfuhr Pfarrer Albertz später, daß sich doch Abhörmikrophone in der Zelle am Frankfurter Flughafen befunden hatten. Man habe aber nichts hören können, da ja ein Transistorradio in Betrieb gewesen sei. Albertz glaubte das nicht. Der Transistorempfänger war während seiner Gespräche mit den Gefangenen nur ganz kurz für die stündlichen Nachrichten eingeschaltet worden.
    Der ehemalige Regierende Bürgermeister in seinem Bericht: »Ich wünsche eine Aufklärung dieser Angelegenheit. Ich bin als Pfarrer in dieser Zelle gewesen. Ein Abhören meiner Gespräche mit den

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