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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Ensslin.
    Der Vorsitzende wollte etwas sagen, doch Baader unterbrach ihn: »Ich stelle noch mal ausdrücklich fest, Prinzing, Sie sind ein faschistisches altes Arschloch!«
    Der Vorsitzende ordnete an, Baader das Mikrophon abzustellen.
    »Wir sind nicht verteidigungsfähig, infolgedessen werden wir auch nicht teilnehmen, alte Sau«, sagte Gudrun Ensslin.
    »Sie haben gestört. Ich habe vernommen, Sie haben mich eine alte Sau genannt, habe ich das richtig gehört? Oder täusche ich mich? Ich möchte das festgestellt haben, trifft es zu? Und, Herr Baader, Sie haben mich ein faschistisches Arschloch geheißen.«
    Dann fragte der Vorsitzende Gudrun Ensslin, ob sie sich zur Person äußern wolle.
    »Altes Schwein«, lautete die Antwort.
     
    Die Angeklagten wurden wieder ausgeschlossen und in die Haftanstalt zurückgebracht. Der Vorsitzende fragte die Pflichtverteidiger, ob sie sich in irgendeiner Weise zu diesem Vorgang äußern wollten. Sie wollten nicht.
     
    Nachdem die Anhörung zur Person auf diese Weise erledigt war, konnte der Vertreter der Bundesanwaltschaft die Anklage verlesen:
    »Klage ich an:
    den berufslosen Andreas Bernd Baader, die Studentin Gudrun Ensslin, die Journalistin Ulrike Marie Meinhof, den Diplomsoziologen Jan-Carl Stefan Raspe, gemeinschaftlich durch neun selbständige Handlungen
    a) heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln in zwei Fällen insgesamt vier Menschen getötet und in weiteren Fällen mindestens 54  Menschen zu töten versucht zu haben,
    b) in Tateinheit hiermit
    durch Sprengstoffe Explosionen herbeigeführt und dadurch Leib und Leben anderer sowie fremde Sachen von besonderem Wert gefährdet zu haben …
    tateinheitlich eine Vereinigung gegründet zu haben, deren Zwecke darauf gerichtet sind, strafbare Handlungen zu begehen …
    Auch nach der Verhaftung gaben die Angeschuldigten ihre Ziele nicht auf. Noch aus der Haft heraus versuchten sie, die Gruppenarbeit neu zu organisieren …«
    Die Gefangenen hörten sich die Anklage nicht an.
     
    Während des täglichen Umschlusses der vier Gefangenen saß jeweils ein Justizbeamter am entgegengesetzten Ende des Korridors auf einem Stuhl und beobachtete sie. Nach jeweils einer Stunde wurde der Beamte abgelöst. Anschließend mußte er einen schriftlichen Bericht über seine Beobachtungen und über das, was er gehört hatte, verfassen.
    Bei Besuchen von Familienangehörigen wurde – zusätzlich zum Anstaltspersonal – eigens ein Kriminalbeamter dazugeholt, der ein Protokoll über die Gespräche anfertigen mußte.
    Bei der Freistunde auf der vergitterten und überdachten Terrasse über dem siebten Stock führten jeweils zwei Beamte und eine Beamtin die Aufsicht. Meistens überzogen die Gefangenen ihre Zeit. Wenn die Beamten zum Aufbruch mahnten, kam es regelmäßig zu Beleidigungen von seiten der Gefangenen. Einmal sagte Andreas Baader: »Ich schick Ihnen mal ein paar Leute. Für ein paar tausend Mark finde ich jeden Killer, der auch Ihre Frau umbringt.«
    Nachts saß ein Beamter im Dienstzimmer am Eingang zum Zellentrakt. Auf einem Monitor konnte er den von Fernsehkameras überwachten Korridor und die Türen der Häftlingszellen beobachten.

13. Die Angeklagten sind verhandlungsunfähig
    ( 39 . Tag, 23 . September 1975 )
    Über mehr als vier Monate schleppte sich der Prozeß hin. Es ging immer wieder um die Frage der Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten.
    Am 39 . Prozeßtag lagen die Gutachten der drei vom Gericht bestellten medizinischen Sachverständigen vor. Sie kamen zum übereinstimmenden Ergebnis, daß die Angeklagten unter Schwächegefühl, geringem Leistungsvermögen, Wahrnehmungs- und Artikulationsstörungen, Untergewicht zwischen 14 und 23  Kilogramm, niedrigem Blutdruck sowie Konzentrationsstörungen – Ulrike Meinhof sogar unter Konzentrationsunfähigkeit – litten. Bei Baader wurde zusätzlich eine außergewöhnlich niedrige Herzfrequenz festgestellt.
    Die Gutachter konstatierten eine auf höchstens drei Stunden täglich begrenzte Verhandlungsfähigkeit und schlugen eine Lockerung der Haftbedingungen vor.
    Einer der Gutachter, Professor Rasch, war der Meinung, zehn bis fünfzehn Gefangene müßten zu einer »interaktionsfähigen Gruppe« zusammengelegt werden. Nur so könnten die Isolationsschäden verringert werden.
    Was die Angeklagten und ihre Verteidiger immer wieder behauptet hatten, war nun gutachterlich bestätigt.
     
    Der Vorsitzende Richter sagte: »Das Gericht muß sich nun über die

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