Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
jeweils eine volle Füllung.« Bei seiner Vernehmung sagte Speitel, es seien auch Glühbirnen auf diese Weise in die Anstalt gelangt. Bei den Waffen handelte es sich um einen Revolver mit vernickeltem Lauf, Kaliber 38 , eine Pistole vom Typ Heckler & Koch, Kaliber neun Millimeter, und eine ungarische Pistole FEK , Kaliber 7 , 65 . Bei beiden Pistolen waren die Griffschalen abmontiert. Die Schalen der FEK wurden weggeworfen, die der Heckler & Koch in einem Erddepot vergraben. Sie sollten später nachgeliefert werden.
Wenn Volker Speitels Aussage stimmt, hätte der Rechtsanwalt Arndt Müller wegen der Menge transportierter Materialien praktisch bei jedem vierten oder fünften von insgesamt 49 Besuchen in der »Mehrzweckhalle« solcherart präparierte Akten eingeschleust haben müssen, ohne daß es den kontrollierenden Polizeibeamten aufgefallen wäre. Nicht einmal bei einer in der dünnen Akte versteckten Glühbirne soll den Beamten ein Licht aufgegangen sein.
Für die Durchsuchung eines Anwalts waren jeweils drei Beamte eingeteilt. Zwei begleiteten ihn in die Durchsuchungskabine, einer blieb davor stehen. Während einer der Beamten den Anwalt filzte, schaute der andere zu.
Die Kontrollbeamten einer solchen Dreiergruppe wechselten sich in ihren Funktionen ab. Die Gruppe wurde alle vierzehn Tage abgelöst. Keiner der Beamten hatte während der in Frage kommenden Zeit mehr als für eine Periode Dienst in der Durchsuchungskabine.
Alle bestätigten sowohl bei ihrer dienstlichen Befragung als auch 1979 im Prozeß gegen Rechtsanwalt Arndt Müller, sie hätten die Akten immer selbst in die Hand genommen. Wie in ihrer Dienstanweisung festgelegt, hätten sie die Ordner auf den Kopf gestellt, um nicht vom Inhalt Kenntnis nehmen zu können, und die Seiten eigenhändig durchgeblättert.
Insgesamt waren es fast vierzig Beamte, die – mit geringfügigen Abweichungen – bekundeten, die Verteidigerakten immer selbst in die Hand genommen zu haben.
Daß derart viele und große Gegenstände wie Pistolen, Radios, Kabel, Glühbirnen etc. auf dem von Speitel beschriebenen Weg in die Anstalt gelangt sein sollen, erscheint nahezu ausgeschlossen.
Volker Speitel war der einzige, der den Ermittlungsbehörden Hinweise darauf geben konnte, wie die Schußwaffen in die Anstalt gelangt sein sollten. Offenbar sah man dabei über einige Ungereimtheiten hinweg.
Als Beweis der Glaubwürdigkeit Volker Speitels wurde gewertet, daß er den Ermittlern mehrere Erddepots in der Nähe von Stuttgart zeigen konnte, in denen er neben Sprengstoff auch die Griffschalen der einen in Stammheim gefundenen Pistole versteckt hatte. Sie paßten auf die Heckler & Koch, Raspes Todeswaffe.
Außerdem sagte Speitel den Ermittlungsbeamten, er habe auch einen Revolver in die Anstalt schmuggeln lassen. Erst nach dieser Aussage waren die Zwischenwände im Hochsicherheitstrakt abgebrochen worden. In einer Wand der Zelle 723 , in der von Juli bis August 1977 Helmut Pohl gesessen hatte, fand sich neben Sprengstoff ein Revolver Colt Detective Special mit vernickeltem Lauf.
Die drei Schußwaffen will Volker Speitel Ende 1976 , Anfang 1977 von den »Illegalen« erhalten haben, mit dem Auftrag, sie in die Anstalt zu schleusen. In seinen Aussagen behauptete er, auf Vorschlag Jan-Carl Raspes die Seriennummern an den Waffen entfernt zu haben. Er habe mit Schlagzahlen die Nummern überschlagen, sie anschließend ausgefräst, neu überschlagen und wieder ausgefräst. Dadurch sollte es unmöglich gemacht werden, die Nummern mit speziellen Untersuchungsmethoden auch nach dem Ausfräsen wieder kenntlich zu machen. Auch die Schlagzahlen wurden in einem der Erddepots gefunden. Ob sie allerdings mit den bei der Bearbeitung der Stammheimer Waffen benutzten Schlagzahlen übereinstimmten, wurde nicht geprüft.
Speitel hatte bei dem Versuch, die Waffennummern zu entfernen, nur halbe Arbeit geleistet. So vergaß er, daß auf der Innenseite einer knapp fünfmarkstückgroßen Abdeckplatte des Colts ebenfalls die Nummer eingraviert war: F 41 530 .
Die neben Raspe aufgefundene Heckler & Koch trug am Lauf die Nummer 106 085 und am Griff das Beschußzeichen des Beschußamtes Ulm aus dem Jahre 1972 . Die Seriennummer der Waffe war abgeschliffen worden.
Die Heckler & Koch konnte wahlweise mit Läufen verschiedenen Kalibers ausgerüstet werden; Lauf und Griff mußten nicht unbedingt zusammengehören.
Die neben der Leiche Baaders gefundene Selbstladepistole war bei der Firma
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