Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
heißt.«
Es gehe nicht um objektive Gefahr, sondern eben um die Anscheinsgefahr. An einer Reihe von Beispielen aus den vergangenen zehn Jahren machte der Innenminister klar, was er damit meinte. Seine Ausführungen wurden vom Ausschuß als »geheim« eingestuft und deshalb auch nicht in das der geringeren Geheimhaltungsstufe » VS –vertraulich« unterliegende Protokoll aufgenommen.
Maihofer schilderte elf Fälle: In den Jahren 1966 bis 1968 wurde ein in Nordrhein-Westfalen lebender Funktionär der verbotenen KPD in seiner Wohnung abgehört. Die »Wanze« arbeitete zwei Jahre.
Ende Januar 1973 wurde im Frühstücksraum eines Hotels in Rheinland-Pfalz ein Abhörmikrophon installiert. Im Hotel wohnten Mitglieder der sozialdemokratischen griechischen Widerstandsorganisation PAK . Begründet wurde die Lauschoperation mit der Sorge, die Widerstandsgruppe könnte in der Bundesrepublik »terroristische Aktionen« gegen das Obristenregime in Athen planen. Der damalige Innenminister Genscher war von der Operation unterrichtet.
Ohne Wissen Maihofers verlief im Sommer 1975 eine Aktion gegen einen Verlag in Köln. Verfassungsschutzbeamte waren mit Wissen des Hauseigentümers in die Geschäftsräume des »Heinzelpress-Verlages« eingedrungen. Dort fotografierten sie Schriftstücke, bauten aber – angeblich – keine »Wanze« ein.
Im Februar 1972 mieteten sich Beamte des Bundeskriminalamts in einem Haus in Augsburg über der Wohnung des RAF -Mitglieds Thomas Weisbecker ein. Über die Fernsehzuleitung hörten sie am 2 . März 1972 ein Gespräch in der Wohnung ab. Kurz darauf verließ Weisbecker das Haus. Draußen kam es zu einer Schießerei, Weisbecker wurde getötet.
Auf Anordnung des BKA -Präsidenten Herold und mit Amtshilfe des Bundesnachrichtendienstes wurde am 8 . Juni 1972 der Besucherraum in der Vollzugsanstalt Essen verwanzt. Als die Behörden erfuhren, daß Rechtsanwalt Otto Schily kommen wollte, um seine Mandantin Gudrun Ensslin zu besuchen, wurde Bundesinnenminister Genscher informiert. Genscher entschied, die »Wanze« müsse sofort ausgebaut werden. Eine Verteidigerüberwachung komme nicht in Frage. Am 9 . Juni wurde die Abhöranlage wieder entfernt.
Schließlich berichtete Maihofer auch, daß während der Lorenz-Entführung die Gespräche zwischen den zum Abflug nach Aden in Frankfurt zusammengeführten Gefangenen abgehört worden seien.
Daß auch die Gespräche mit Pfarrer Albertz dabei belauscht wurden, sagte Maihofer nicht.
Als der Bundesinnenminister seinen brisanten Vortrag beendet hatte, sagte der Ausschußvorsitzende Wernitz: »Soweit zu den einzelnen Fällen, die hier vorgetragen worden sind, mitgeschrieben wurde, bitte ich, diese Notizen hier zur Verfügung zu stellen, damit wir sie dem Reißwolf überantworten können. Ein Mitarbeiter des Sekretariats wird bei jedem einzelnen vorbeigehen und die einschlägigen Notizen einsammeln, damit sich dies hier auch formal korrekt und einwandfrei abgesichert darstellt.«
Die Abgeordneten lieferten ihre Zettel ab.
Über die Einzelheiten der Stammheimer Lauschaffäre, so kam der Innenausschuß überein, wollte man am nächsten Tag sprechen, wenn die baden-württembergischen Minister Schiess und Bender dem Ausschuß Bericht erstatten würden.
Maihofer beteuerte, nur über die »technische Hilfe« des ihm unterstellten Verfassungsschutzes in die Angelegenheit verwickelt zu sein. Verantwortung trage nicht er, sondern die Stuttgarter Minister.
So leicht wollte der CDU / CSU -Abgeordnete Vogel den Liberalen denn doch nicht davonkommen lassen: »Sicherlich besteht eine Verpflichtung dessen, der um technische Hilfe ersucht wird, sich Gedanken über die Rechtmäßigkeit zu machen.«
Am 23 . März 1977 um 9 . 39 Uhr trat der Innenausschuß erneut zusammen. Die baden-württembergischen Innen- und Justizminister Schiess und Bender waren eingeladen worden, um über die Stammheimer Abhöraffäre Auskunft zu geben.
Neben den Ausschußmitgliedern und ihren Stellvertretern waren an diesem Tag auch Staatssekretär Dr. Manfred Schüler aus dem Kanzleramt, Bundesinnenminister Prof. Dr. Maihofer und sein Staatssekretär Dr. Fröhlich anwesend, dazu Verfassungsschutzpräsident Richard Meier und der Präsident des Bundeskriminalamtes, Horst Herold.
Der Ausschußvorsitzende Wernitz ( SPD ) kam auf die Sitzung des vergangenen Tages zurück:
»Wir hatten gestern zu einem speziellen Punkt in besonders intensivem Maße Vertraulichkeit der Sitzung
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