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Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
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Notstandes als plausibel erscheinen zu lassen.«
     
    In ihrer Presseerklärung hatten die Minister Bender und Schiess geschrieben, sie stünden zu ihren Entscheidungen und würden sie »in vergleichbaren Situationen in gleicher Weise treffen«.

38. Die »Zwangsverteidiger« werden Verteidiger
    ( 185 . Tag, 17 . März 1977 )
    »Die Bundesanwaltschaft hat hier die Stirn gehabt, von einem Propaganda-Antrag zu sprechen«, sagte Verteidiger Schily. »Die Terminologie, die sie gern anwendet, um Fakten unter den Teppich zu kehren. Und die Verteidigung hat nicht einmal erwartet, daß die verantwortlichen Herren so schnell der Wahrheit die Ehre geben.
    Was hier in diesem Verfahren stattfindet, kann man nicht anders benennen als die systematische Zerstörung aller rechtsstaatlichen Garantien. Insofern hat das Verfahren für den Zustand dieser Republik seine exemplarische Bedeutung. Die Verteidigung kann es unter keinen Umständen verantworten, hier auch nur eine Minute länger in dem Verfahren mitzuwirken, um hier noch vielleicht als eine Art Alibi aufzutreten.«
    Schily stellte den Antrag, den Prozeß bis zur restlosen Klärung der Abhöraktion auszusetzen.
    Auch sämtliche »Zwangsverteidiger« befürworteten den Aussetzungsantrag. Rechtsanwalt Künzel meinte: »Ich schließe mich dem Antrag bis zur Aufklärung dieses ungeheuerlichen Sachverhalts an.«
    Oberstaatsanwalt Zeis meldete sich, weniger forsch als am vergangenen Prozeßtag, zu Wort: »Für die Bundesanwaltschaft erkläre ich: Keiner der Sitzungsvertreter der Bundesanwaltschaft hat von den betreffenden Vorgängen Kenntnis gehabt. Eine weitere Erklärung wird abgegeben werden, sobald sich die Bundesanwaltschaft sachkundig gemacht hat. Danke.«
    »Danke sehr«, sagte der Vorsitzende und wollte mit der Befragung eines Zeugen fortfahren. Schily meldete Protest an, aber der Vorsitzende fiel ihm ins Wort: »Nein, ich will das jetzt nicht durchgehen lassen …«
    Der Rechtsanwalt stand auf, schob seine Unterlagen zusammen und sagte: »Ja, Herr Vorsitzender, dann verlasse ich unter Protest den Gerichtssaal.«
    »Ich kann Sie nicht halten«, meinte Dr. Foth. »Ich meine, Sie sollten hierbleiben.«
    Schily blieb nicht.
    Auch Rechtsanwalt Künzel plädierte dafür, den Zeugen nicht weiter zu vernehmen: »Es könnte sich ja herausstellen, daß eine rechtsstaatliche Verteidigung von dem Zeitpunkt an, wo die erste Wanze eingebaut wurde, eigentlich nicht mehr möglich ist.«
    Daraufhin schloß der Vorsitzende die Verhandlung.

39. Eine vertrauliche Sitzung des Innenausschusses
    Im Innenausschuß des Deutschen Bundestages bemühte man sich, die Stammheimer Abhöraffäre – hinter verschlossenen Türen – aufzuklären. Am 22 . März 1977 eröffnete der Vorsitzende Dr. Axel Wernitz ( SPD ) die Sitzung, nannte das Thema und wies auf besondere Vertraulichkeit hin. Der CDU / CSU -Abgeordnete Vogel regte an, zu überprüfen, ob sich tatsächlich nur Ausschußmitglieder oder deren Stellvertreter im Saal befänden.
    Wernitz gab zu bedenken, ob nicht bei Fragen, »die einen so brisanten Charakter haben, daß sie im Rahmen der Vertraulichkeit nicht behandelt werden können, ein interfraktionelles Gespräch angehängt« werden solle.
    »Wer überprüft denn bei den Beamten, die im Raum bleiben, deren Berechtigung?« wollte der SPD -Abgeordnete Konrad wissen. Der CDU / CSU -Abgeordnete Spranger stimmte ihm zu. Am besten sei eine personelle Feststellung im Einzelfall.
    Der Ausschußvorsitzende wies daraufhin einen Herrn aus dem Sekretariat an, die Anwesenden der Reihe nach zu überprüfen.
    Dann begann Bundesinnenminister Maihofer mit seinem Bericht über »Angelegenheiten der inneren Sicherheit«.
    Beim Einsatz von Lauschmitteln, erklärte der FDP -Professor umständlich, gehe es um Gefahrenabwehr. Dabei sei auch eine »Anscheinsgefahr« für eine Entscheidung ausreichend. Je folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden sei, um so geringere Anforderungen seien für eine Entscheidung notwendig. »Bei einer Friedensgefährdung oder beim Hochverrat«, meinte Maihofer, »wo unabsehbarer Schaden droht, genügen schon geringere Wahrscheinlichkeiten des Schadenseintritts als in anderen Fällen. Deshalb richtete sich das, was man einen Gefahrenerforschungseingriff nennt, etwa durch Observation (Kollision mit Artikel 2 des Grundgesetzes) oder durch technische Observation (Kollision mit Artikel 10 des Grundgesetzes), auf Anscheinsgefährdungen, wie der Terminus technicus

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