Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)

Titel: Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Aust
Vom Netzwerk:
nach einem neuen Lebenszeichen Schleyers. Noch in derselben Nacht antworteten die Entführer, gaben das gewünschte Lebenszeichen und schlugen Modalitäten für die Freilassung Schleyers vor. Sobald die Maschine mit den Gefangenen sicher gelandet und die Mitreisenden, Payot und Pfarrer Niemöller, zurück seien, werde Schleyer innerhalb von 48  Stunden freigelassen. Er werde die Möglichkeit erhalten, sich unmittelbar nach der Freilassung telefonisch bei seiner Familie zu melden.
     
    Der größte Teil der Entführergruppe sollte zurückgezogen werden und nach Bagdad reisen. In aller Eile wurden Flüge gebucht, Tickets gekauft, Reisepässe präpariert. Auch Boock wollte nach Bagdad. Er hatte gesundheitliche Probleme.
    Schon seit Ende 1975 litt Peter-Jürgen Boock an irgendeiner undefinierbaren Darmerkrankung. Schmierblutungen deuteten auf einen Entzündungsherd hin, aber das Leben in der Illegalität machte eine gründliche Untersuchung unmöglich. So behalf er sich mit starken schmerzstillenden Präparaten. Zur Zeit der Schleyer-Entführung hatte er es auf sieben bis acht Ampullen Dolantin pro Tag gebracht. Später nahm er auch andere Morphine – aber immer »sauberen medizinischen Kram«. Dennoch rutschte er langsam in die Sucht ab: »Ab Frühjahr 1977 gab es keine Relation mehr zwischen Schmerzen und Drogennehmen.« Der Terrorist war zum Junkie geworden. Den Verdacht auf Krebs schob er beiseite. Erst viel später, als die Schmerzen und der gesamte körperliche Verfall immer unerträglicher wurden, ließ er sich von einem Spezialisten untersuchen. Der konnte keine Krebserkrankung feststellen, und langsam besserte sich Boocks Gesundheitszustand wieder.
     
    Zu den Reisevorbereitungen gehörte auch, daß die Gruppenmitglieder die Bänder mit vielen Stunden Schleyer-Verhören einpackten, um sie mit nach Bagdad und später nach Algier zu nehmen. Boock war nie ganz klar gewesen, was eigentlich mit den Tonbandaufzeichnungen geschehen sollte. Brigitte Mohnhaupt hatte ihm nicht alles gesagt. Boock war nur aufgefallen, daß es vorformulierte Fragen gegeben hatte. Er wußte nicht, woher die stammten. Aber, so äußerte er später, er habe den Verdacht auf »Fremdinteressen« gehabt. Abu Hani, dem die Bänder ausgehändigt werden sollten, spielte nach Boocks Eindruck noch auf einem anderen Klavier. Er hatte offenbar Beziehungen zu östlichen Geheimdiensten.
     
    Stefan Wisniewski, als »Leader«, als operativer Leiter des Kommandos, sollte gemeinsam mit einigen wenigen Gruppenmitgliedern in Europa bleiben und Schleyer bewachen. Noch von Den Haag aus wurde ein neues Quartier vorbereitet, diesmal in Brüssel. Von dort aus flog Peter-Jürgen Boock über Kairo nach Bagdad. Es war für ihn wie eine Erlösung: »Wir haben die ganze Zeit wie unter Speed gestanden. Erst die Vorbereitungen, dann die Aktion. Und dann bist du durch, nervlich durch, kräftemäßig durch.« Er hatte Brigitte Mohnhaupt gefragt, ob sie das auch so empfinde, und sie hatte geantwortet, daß es bei ihr haargenau so sei.
    Friederike Krabbe war gemeinsam mit Monika Helbing, die als Frau Lottmann-Bücklers die Wohnung in Erftstadt gemietet hatte, zum Quartiermachen nach Bagdad vorausgeflogen. Als Boock und Mohnhaupt eintrafen, standen der RAF dort zwei Häuser zur Verfügung. Zunächst wohnten sie in dem kleinen, dann zogen sie in das größere um, das mitten im Diplomatenviertel von Bagdad lag.
     
    Brigitte Mohnhaupt hatte unmittelbar nach der Ankunft ein kurzes Treffen mit Abu Hani, bei dem die nächsten Schritte erörtert wurden: Modalitäten der Aufnahme von Gruppenmitgliedern, finanzielle Fragen. Boock litt mehr und mehr unter seiner Erkrankung und hatte eigentlich genug von der ganzen Angelegenheit. »Ich war da soweit, zu sagen, wenn es da irgendeine Suizidaktion gibt, irgendein Selbstmordkommando, dann merkt mich schon mal vor.«
    Als Abu Hani davon erfuhr, begab er sich selbst ins Hauptquartier der Gruppe und verlangte ein Gespräch unter vier Augen mit Boock. Er sprach ihn auf seine Krankheit an und sagte, auch er sei krank, wenn auch vielleicht nicht so schlimm wie Boock. Das solle er aber möglichst schnell wieder vergessen. Pathetisch versicherte der Palästinenser, er würde Boock als seinen Bruder ansehen und nicht im Traum daran denken, ihn für eine Selbstmordaktion einzusetzen. Er solle erst einmal gesund werden.
    Für die geschäftliche Seite war Brigitte Mohnhaupt zuständig. Sie war es auch, die vor der Schleyer-Entführung die

Weitere Kostenlose Bücher