Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
hervorzurufen – wenn also die Person von mehreren Personen hochgehalten wird, in die Höhe, in der sie vorgefunden wurde, und dann die Verknotung am Hals vorgenommen wird. Dann wäre aber genauso wie bei Baader ein ganz festes Zupacken erforderlich, das unbedingt zu Gewalteinwirkungsspuren, Blutergüssen, führen müßte, die jedoch an den typischen Stellen nicht vorhanden waren.«
49. Das Ende einer Entführung
Der Tod der Stammheimer Häftlinge war der letzte Auslöser für die Ermordung Hanns Martin Schleyers. Das Schlußkapitel des Deutschen Herbstes hatte begonnen.
Schleyers Sohn Hanns-Eberhard ahnte, was nun geschehen würde: »Vor allem durch den Selbstmord der Terroristen hat sich bei mir ein ganz tiefes Gefühl der Hoffnungslosigkeit breitgemacht.«
Mit dem Ende der Stammheimer schien auch Schleyers Schicksal besiegelt. Der BKA -Beamte Steinke war ganz sicher: »Das war selbstverständlich. Wir haben nur gesagt, wir müssen jetzt nur warten, wo wir Herrn Schleyer abholen können.«
Bundeskanzler Helmut Schmidt war immer vom Schlimmsten ausgegangen: »Mit der Möglichkeit, daß diese Kerle den Hanns Martin Schleyer umbringen würden, mußte man immer rechnen. Auch vor Mogadischu. Und auch hinterher.«
Der Kern der Entführergruppe war nach wie vor in Bagdad. Dort fiel die Entscheidung über die Ermordung Schleyers. Peter-Jürgen Boock war dabei: »Es war klar, jetzt wird er erschossen, und wir haben uns dann zu Abu Hani bemüht, ihm mitgeteilt, daß wir das jetzt so machen wollen. Abu Hani war seltsamerweise dagegen. Aber da haben wir ihm gesagt, bei so vielen toten Genossen können wir ihn nicht am Leben lassen, werden wir auch nicht.«
Das Todesurteil wurde per Telex nach Brüssel gesandt. Boock: »Es gab in Brüssel öffentliche Fernschreiber, die stehen im Postamt. Und dann kam von uns ein Telex: ›Wir müssen das Geschäft jetzt zum Abschluß bringen, die letzte Ladung ist verdorben. Seht ihr das auch so? Es kam nur ein Wort, glaub ich, zurück: ›Okay.‹ Also die waren offensichtlich auch zu demselben Ergebnis gekommen.«
Ein Waldweg in der Nähe der belgisch-französischen Grenze war die letzte Station in Hanns Martin Schleyers Martyrium. Zwei Männer aus dem Entführungskommando brachten ihn zu seiner Hinrichtungsstätte.
Es waren wahrscheinlich Stefan Wisniewski und Rolf Heißler. Peter-Jürgen Boock, zum Zeitpunkt des Mordes immer noch in Bagdad, erfuhr später, wie die Tat abgelaufen war: »Rolf Heißler hat mir erzählt, wie das zum Schluß gelaufen sein soll. Es war in der Gruppe absolut nicht üblich, über solche Dinge Fragen zu stellen, etwa: Hast du geschossen, oder hat der geschossen? Ich hab für mich die Erklärung gefunden, daß er auch zeigen wollte: Jetzt war ich auch mal bei einem Kommando dabei, und ich hab meine Rolle bis zum Ende durchgestanden.«
Heißlers Bericht behielt Boock fast dreißig Jahre für sich. Erst 2007 sagte er, was er erfahren hatte: »Sie sind ausgestiegen, haben den Kofferraum geöffnet, haben Hanns Martin Schleyer herausgehoben und ins Gras gelegt und auf der Stelle erschossen. Und das war ’ne Sache von weniger als einer Minute. Kofferraum auf, rausholen, Schuß, reinpacken, Kofferraum zu, zurückfahren.«
Augenzeugen des Mordes gibt es nicht. Nur zwei Täter. Und ein Zeuge vom Hörensagen – wenn auch aus erster Quelle. Peter-Jürgen Boock: »Damals hat mir Rolf Heißler gesagt, es sei von beiden geschossen worden. Von ihm und Stefan Wisniewski.«
Die Schlußerklärung war genauso zynisch wie die Tat. Silke Maier-Witt war die Todesbotin: »Ich mußte dann auf Anweisungen warten in der Telefonzelle, weil ich dann diese Schlußerklärung übergeben sollte. Hier spricht die RAF , irgendwie so was. Wir haben heute die un… ach, die Existenz von … ich kann’s auch nicht mehr so genau sagen, aber ich … es war irgendwie fürchterlich.«
Am Nachmittag des 19 . Oktober 1977 ging bei der französischen Tageszeitung »Libération« ein Kommuniqué der Schleyer-Entführer ein:
»Wir haben nach 43 Tagen Hanns Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet.
Herr Schmidt, der in seinem Machtkalkül von Anfang an mit Schleyers Tod spekulierte, kann ihn in der Rue Charles Peguy in Mülhausen in einem grünen Audi 100 mit Bad Homburger Kennzeichen abholen. Für unseren Schmerz und unsere Wut über die Massaker von Mogadischu und Stammheim ist sein Tod bedeutungslos. Andreas, Gudrun, Jan, Irmgard und uns überrascht die
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