Der Babylon Code
straffte sich. »Auch bekannt, auch untersucht – und trotzdem ungewöhnlich.«
»Machen Sie es nicht so spannend!« Zoe Purcell starrte Snider und Baker wütend an.
»Siebenundvierzig Chromosomen«, sagte Snider.
»Eins mehr als normal«, ergänzte Baker. »Eben eine Trisomie.«
»Das zusätzliche Chromosom ist gonosomal.«
»Zum Teufel, Baker!«, fauchte Zoe Purcell. »Was heißt das?«
»Die Abweichung betrifft die Geschlechtschromosomen.«
»Diplo-Y-Syndrom«, murmelte Jasmin, die die Abweichung auf dem Bildschirm deutlich sah.
»XYY-Trisomie«, sagte Snider.
Sekundenlang blieb es still.
»Ein Y-Chromosom mehr… ja und?« Zoe Purcell klatschte mit der Hand auf den Tisch. »Wenn euer männliches Geschlechtschromosom so auffallend klein ist, dann gibt es eben bei euch Typen, die zwei dieser Dinger haben! Ja und?«
»Dieses zusätzliche Y-Chromosom ist aber groß, dick und fett. Es muss prallvoll mit Genen sein…«
Kapitel 28
Fontainebleau bei Paris
Samstagnachmittag
Der Kofferraumdeckel sprang auf. Chris kniff die Augen zusammen. Obwohl der Himmel bewölkt war, schmerzte das Licht nach so langer Zeit in der Dunkelheit.
»Puh – solltest dich mal wieder waschen!«
Der Mann über ihm grinste böse. Chris fielen die drei Warzen auf, die wie ein Dreieck die Wangen und das Kinn verunstalteten. Der andere Typ hatte rostrotes Haar und helle Haut. Das Warzengesicht packte ihn an den gefesselten Fußgelenken, während der Feuerkopf Chris an den Schultern fasste. Sie hoben ihn aus dem Kofferraum und ließen ihn auf den Boden fallen.
Sand und Grasbüschel rieben an seiner Wange. Er drehte den Kopf, und sein Blick fiel auf hohe Laubbäume mit kräftigen Stämmen und dichtem Blätterdach.
Die dumpfen Schmerzen an den Rippenbögen ließen ihn flach atmen. Aus seinen Handrücken und Unterarmen ragten immer noch Holz-und Steinsplitter hervor. Die anderen waren abgerissen oder hatten sich weiter in die Haut gegraben. Einige Wunden hatten sich bereits entzündet und blutigeitrige Blasen gebildet.
Der Feuerkopf riss ihm das Pflaster vom Mund und richtete ihn auf. Chris stöhnte und kippte wieder um. Er brauchte eine Weile, bis er sich an die sitzende Stellung gewöhnt hatte.
Sie lösten seine Fußfessel und zogen ihn hoch. Chris stürzte sogleich wieder zu Boden. Immer wieder zogen sie ihn hoch, immer wieder knickte er ein. Jedes Mal durchzuckten stechende Schmerzen seine Beine, und er stöhnte verbissen auf.
Dann kribbelten seine Beine, das Blut zirkulierte, und endlich stand er. Der Rothaarige stützte ihn ab, während er die ersten Schritte machte. Warzengesicht hatte ein Seil an seinen auf den Rücken gefesselten Händen befestigt und führte ihn herum wie einen Straßenköter.
»Los! Schneller!«
Chris wankte unbeholfen vom Wagen unter die Bäume und zurück. Dann führten sie ihn zehn Minuten im Kreis herum.
»Wo sind wir?«, fragte Chris schließlich.
»Als ob das wichtig wäre…«
»Für mich schon.« Chris zischelte, konnte die Silben nicht sauber artikulieren. Er schmeckte Blut aus den wieder aufgeplatzten Lippen.
»Wenn du meinst… Irgendwo in Frankreich.«
Chris stutzte, dann sah er sich weiter um.
Die Sonne stand im Westen, aber es würde noch dauern, bis die Dunkelheit hereinbrach. Weiter vorn, etwa hundert Meter entfernt und von Büschen abgeschirmt, sah Chris so etwas wie ein kleines Schloss.
Die vier dunklen Limousinen parkten vor einem Wasserturm aus gelblichen Backsteinen, wie man sie vor zwei Jahrhunderten gebaut hatte. Wassergräben durchzogen das Gelände, in denen Laub vermoderte. Etwas abseits vom Wasserturm stand eine Kapelle, die bis auf den oberen Teil des Glockenturms eingerüstet war.
Aus der Richtung des schlossähnlichen Hauptgebäudes näherten sich drei Männer. Brandaus Eulengesicht wirkte verkniffen und abweisend. Chris hatte der Professorin Unrecht getan. Es war der Priester, der ihn mit der Wanze im Rucksack geleimt hatte. Warum war er davon ausgegangen, dass ein Priester weniger verschlagen war als andere Menschen?
Neben Brandau ging der Kerl mit der ledernen Gesichtshaut, der den Überfall geleitet hatte. Während einer Rast hatte er Chris voller Genugtuung erzählt, wie sie mit dem Pensionsschlüssel
nach Mitternacht in sein Zimmer spaziert waren und die restlichen Antiken eingesammelt hatten.
Der dritte Mann war untersetzt, bullig und trug einen hellen, fast weißen Chormantel mit schildförmigem Nackenteil. Der Stoff war mit Perlen und Goldfäden
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