Der Babylon Code
bestickt, die zwei Christuszeichen jeweils oben auf jeder Seite und zwei Kreuze unten abbildeten. Über der Brust wurde der Mantel von einer kunstvoll gedrechselten Spange zusammengehalten.
Chris dachte zunächst, er habe einen Bischof vor sich, aber dann erkannte er unter dem Mantel eine ganz gewöhnliche Hose und einen Pulli.
»Das ist unser Früchtchen«, murmelte Justin Barry.
»So, so.« Henry Marvin musterte Chris abschätzend. »Na ja, sieht im Augenblick ganz schön ramponiert aus. Passt gut auf ihn auf. Glauben Sie an Gott und die Bibel?«
»Sie sind wohl der Verleger, der so gern als generöser Mäzen für berühmte Museen der Welt auftritt, wenn es um Antiken aus bestimmten Gegenden des Vorderen Orient geht.«
»Wer hat Ihnen denn das erzählt?«
»In Berlin gab es eine Professorin, die mir einiges über Sie verraten hat.«
Henry Marvin lachte laut auf.
»Nun, dann haben Sie ja etwas zum Nachdenken.«
»Ich bin seit Stunden über den Punkt hinweg, mir über irgendetwas Gedanken zu machen. Ich bin froh, aus diesem Sarg heraus zu sein.«
»Galgenhumor, was? Mal sehen, wie es Ihnen in einem richtigen Sarg gefällt. – Ich werde mir zunächst einmal Ihre Geschenke vornehmen. Dann sehen wir weiter. Vielleicht sagt Ihnen Ihr neues Quartier mehr zu. Nachts jagen dort die Ratten.«
Marvin drehte sich um und stapfte mit Brandau davon. Barry und der Feuerkopf schoben Chris in Richtung des Wasserturms und führten ihn über eine steinerne Wendeltreppe nach unten bis zu einer Gabelung, von der mehrere Gänge abzweigten. Sie
schubsten ihn weiter und hielten schließlich vor einer weiteren Gabelung.
Barry öffnete die schwere Stahltür, die den linken Gang versperrte, und betrat den engen, niedrigen Weg dahinter, der in den felsigen Untergrund getrieben worden war.
Strahler leuchteten den Weg grell aus, und Chris sah auf der linken Seite in den Fels eingelassene Gitter, die die dahinter liegenden Gewölbe vom Gang trennten. Die Zellen waren leer, regelrecht nackt.
Barry ging bis zum Ende des Ganges und blieb vor dem Gitter der letzten Zelle stehen.
Der Feuerkopf schob Chris in die Zelle, deren hinterer Bereich im Halbdunkel lag. Quietschend schloss sich die Tür hinter ihm.
»Hallo«, sagte Chris und starrte in die Ecke, wo ein Körper am Boden lag und sich nicht rührte.
Es dauerte einige Zeit, bis sich die Gestalt langsam umdrehte.
»Hallo, Chris«, sagte Antonio Ponti.
Dresden Samstagnachmittag
»Das Y-Chromosom entscheidet über das Geschlecht beim Menschen. Das ist bekannt. Hier haben wir zwei davon.« Zoe Purcell starrte Snider böse an. »Nun gut. Aber Sie sagten, auch solche Fälle seien bekannt. Was ist also so besonders an dieser Entdeckung, die dann ja eigentlich gar keine ist?«
»Im Normalfall ist das Y-Chromosom klein, und bei XYY-Trisomie gibt es zwei kleine Y-Chromosomen. Aber dieses zusätzliche Y-Chromosom ist wie gesagt groß, dick und fett.« Wayne Snider stand vom Stuhl auf und streckte sich.
»Ned, was sagen Sie dazu? Will er uns reinlegen?« Zoe Purcell starrte ihren wissenschaftlichen Berater an, der sich unter ihrem Blick wand.
»Nun, was soll ich dazu sagen… Das normale Y-Chromosom trägt heute nur noch – ich hoffe, ich erinnere mich richtig – achtundsiebzig Gene mit der Bauanleitung für siebenundzwanzig Proteine und hat damit nur mehr ein Drittel seiner ursprünglichen Größe.«
»Es verändert sich? Es wird kleiner?«, lachte Zoe Purcell. »Ned, wie ist das beim weiblichen Geschlechtschromosom? Wächst das?«
»Das X-Chromosom mit seinen eintausendfünfundneunzig Genen ist seit seiner Entstehung vor dreihundert bis hundert Millionen Jahren weitgehend unverändert geblieben.«
»Sie wollen mir also weismachen, dass sich die Geschlechtschromosomen unterschiedlich entwickeln?« Zoe Purcell kicherte. »Seit wann ist das so? Seit hunderttausend Jahren? Und wenn das so ist, dann bedeutet das doch, dass es einmal einen gemeinsamen Ausgangspunkt gegeben haben muss.«
»Wann sie entstanden sind und seit wann sie sich unterschiedlich entwickeln, ist weitgehend Spekulation«, mischte sich Snider ein. »Warum sich diese beiden von den anderen Chromosomenpaaren fortentwickelt und die Geschlechterbildung übernommen haben, kann heute noch keiner genau beantworten. Jedenfalls ist es in der Frühzeit der Säugetierentstehung passiert.«
»Und was war vorher?« Zoe Purcell sah in die Runde. »Wie wurde das Geschlecht vorher bestimmt?«
»Wer weiß das? Vielleicht ist
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