Der Babylon Code
hat er möglicherweise auch das zweite Y-Chromosom geerbt. Zeugt dieser Sohn nun seinerseits eine Tochter, ist die Kette an dieser Stelle unterbrochen. Bleibt er kinderlos, ist die Kette ebenfalls unterbrochen. Nur bei der Zeugung wiederum eines Sohnes werden das eine und vielleicht auch das zweite Y-Chromosom weiter vererbt.
Unterstellen wir nun, dass nur wenige männliche Linien von Beginn an – warum auch immer – mit diesem zweiten Y-Chromosom ausgestattet waren, kann diese besondere DNA-Struktur sehr schnell aus der Welt verschwunden sein.«
Chris starrte den Chairman zweifelnd an.
»Zarrenthin, das ist Vererbungslehre! Und es gibt noch einen anderen Ansatz, der da mit hineinspielen könnte: Zellen bestehen aus dem Zellkern und dem Zytoplasma. Die DNA im Zellkern enthält alle Erbinformationen, die uns als Menschen mit unseren individuellen Eigenschaften ausmachen. Das Zytoplasma wiederum enthält die Mitochondrien, die eine eigene mtDNA haben. Diese Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zellen. Sie sorgen in jeder Sekunde dafür, dass die Zellen funktionieren – sie sind die Macher! Ohne die Umsetzung durch die Mitochondrien wären die Informationen der Zellkern-DNA nur
eine Formel auf einem Blatt in der Schublade, wohl da – aber nicht genutzt.
Die Zellkraftwerke sind aber ausschließlich weiblich bestimmt, vererbt werden bei jedem Menschen nur die Erbinformationen der Mütter. Verstehen Sie? Dadurch, dass diese Informationen auf einem Y-Chromosom in der Zellkern-DNA liegen, werden sie nicht genutzt. Denn die Mitochondrien haben ihre eigene DNA. Es ist, als läge die Formel in der falschen Schublade, die seit ewigen Zeiten nicht mehr aufgezogen wird.«
Chris schüttelte den Kopf, sah zweifelnd in die Gesichter der anderen. »Sie glauben das doch selbst nicht, oder?«
»Glauben ist keine wissenschaftliche Kategorie. Ich glaube nicht. Ich erlaube mir nur, eine Meinung zu äußern, über ein Erklärungsmodell zu sinnieren, das bereits bekannte wissenschaftliche Fakten einbindet. Viele große Entdeckungen hatten am Anfang weit spekulativere Ansätze.«
»Wo ist der Aufhänger, der zumindest die vage Möglichkeit eröffnet, dass es so sein könnte? Wo gibt es Säugetiere… Menschen, die Ihre Annahme in irgendeiner Form unterstützen können?«
»Menschen? Nur Männer, Zarrenthin. Keine Frau.« Thornten lachte amüsiert auf.
»Was meinen Sie?«
»Obwohl ich Wissenschaftler bin: In diesem Fall muss ich auf die Bibel verweisen.«
Thornten sah leicht amüsiert in die überraschten Gesichter. Andrew Folsom schüttelte verständnislos den Kopf, während Zoe Purcell ungläubig die Augen aufriss.
»Ganz ruhig, Zoe. Ich bin nicht bekehrt worden.« Thornten stand auf, lief ein paar Schritte und drehte sich dann wieder um. »Aber in diesem Fall ist die Bibel ein willkommener Zeuge. Dort steht: Abraham wurde 175 Jahre alt. Adam starb mit 930 Jahren, Metuschelach wurde 969 Jahre. Noach starb mit 950 Jahren.«
Fünftes Buch
DAS KREUZ
»
Das Papstamt bedeutet Kreuz, und zwar das größtmögliche.
«
Kardinal Reginald Pole
Kapitel 38
St. Benoit-sur-Loire
Dienstagabend
Papst Benedikt bekreuzigte sich und sammelte ein letztes Mal seine Gedanken.
Er war dankbar für die strengen Regeln der Benediktinergemeinschaft von St. Benoît-sur-Loire, die sich erst 1944 wieder neu gegründet hatte, nachdem in der Französischen Revolution an diesem Wallfahrtsort das mönchische Leben zu Grunde gerichtet worden war.
Aber wie schon so oft zuvor hatten sich die Gläubigen nicht abschrecken lassen, an dem Ort dem Herrn zu dienen, an dem die Gebeine des heiligen Benedikt ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten.
Die modernen Konventgebäude der Benediktinergemeinschaft lagen südlich der Basilika und waren für Außenstehende eine verbotene Zone. Der Abt hatte zwar angeboten, für den Gast des Papstes eine Ausnahme zu machen, aber Papst Benedikt hatte für das Gespräch eine Zelle nahe dem Eingangsbereich ausgewählt, weit genug weg vom inneren Kern des gottesfürchtigen Mönchlebens.
Den ganzen Nachmittag hatte der Papst zweifelnd und betend in der Krypta der Basilika vor dem metallenen Schrein zugebracht und sich gefragt, ob er den Gast überhaupt empfangen sollte.
Calvi steckte fragend den Kopf zur Tür herein. Auf ein Nicken des Papstes hin begab er sich zur Seite, und Marvin trat in die Zelle, kniete nieder und küsste den Fischerring.
»Sie und Ihre
Prätorianer
bringen die Kirche in allergrößte
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