Der Babylon Code
fehlt weitestgehend ein ›Krankheitswert‹ im Sinne einer schweren Schädigung.«
»Außerdem wird diese Trisomie in der Regel nicht vererbt. Die Chance liegt unter einem Prozent.« Folsoms Stimme schnarrte wie ein Rasenmäher.
»Gibt es eine Erklärung dafür?«
»Die Trisomie resultiert bei dem Betroffenen aus einem Fehler bei der Bildung der männlichen Keimzellen, wenn sich in der Meiose, der zweiten Reifeteilung, die beiden Chromatiden des Y-Chromosoms nicht voneinander trennen. Sozusagen ein Fehler in der handwerklichen Ausführung, dessen Ursache nur sehr selten weitergegeben wird. Das Y-Chromosom repariert das selbst.« Folsom klatschte mit den Händen auf die Oberschenkel, als habe er dem Dummen nun genug erklärt.
»Die Dopplung des Y-Chromosoms ist also ein individuelles Malheur, das bei den männlichen Nachkommen nicht mehr auftritt«, wiederholte Chris.
»Meine Entdeckung besagt aber etwas anderes!« Wayne Snider zappelte auf seinem Stuhl herum, voller Euphorie und Begeisterung über die eigene Genialität. »Dieses zusätzliche Y-Chromosom ist riesig und prall gefüllt mit Genen, während das bekannte Y-Chromosom klein und verkümmert ist.« Wayne keuchte und schlug sich mit der rechten Faust in die linke Handfläche. »Dieses Y-Chromosom kann nicht von dem bekannten Y-Chromosom abstammen. Es ist vollkommen anders. Denn sonst…«
». . . wäre dein Versuch mit den Mäusen nicht so ausgegangen, wie er ausgegangen ist.« Chris nahm Waynes Spur auf. »Du hast das Genmaterial aufbereitet, altersschwachen Mäusen gespritzt,
und die springen kurz darauf wieder mit jungen Körpern durch die Gegend.«
»Ja, Chris! Ja! Es ist kaum zu glauben, aber es ist wirklich so!« Snider sprang auf und lief in großen Schritten durch den Raum. »Es wird eine kleine Ewigkeit dauern, bis wir es untersucht haben und vielleicht im Ansatz ahnen, wie es funktioniert – aber was heißt das schon? So vieles funktioniert, obwohl wir es nicht erklären können.«
»Ehrlich gesagt – ich glaube es einfach nicht. Kann ich die Mäuse sehen?«
»Sie werden nur junge Mäuse sehen. Mehr nicht.« Thornten lachte.
»Trotzdem.«
Thornten sah Snider und Baker an.
»Holen Sie die Mäuse? Wir tun gern alles, um Zweifler zu überzeugen.«
Dufour stellte die Tasche ab, als er das Labor betrat.
Die beiden Käfige mit den Mäusen standen gleich am Eingang auf einem Tisch. Um jede Gefahr einer Infektion auszuschließen, hatte man sie nicht bei den anderen Versuchstieren untergebracht.
Die Tiere waren kräftig und huschten aufgeregt über die feinen Holzspäne. Dufour schüttelte den Kopf. Wieder überkamen ihn die Zweifel. Wie konnte Hieronymus
das
von ihm verlangen ? Über welche Erkenntnis verfügte der Mönch, so sicher zu sein?
»›
Es gibt Wege, die den Menschen richtig scheinen, die aber am Ende in die Tiefe der Hölle hinabführen.
So zitiert der heilige Benedikt aus dem Buch der Sprichwörter. Versteht du das, Jacques ?« Die Stimme des Mönchs, die in seinem Kopf dröhnte, half Dufour im Kampf gegen die Zweifel. Er zitterte und ging
unsicher weiter, trat an den Brutkasten. Neue Proben wuchsen dort wie Schimmel an einer feuchten Wand.
Minutenlang stand er regungslos da und starrte durch das gläserne Sichtfenster auf die wachsenden Schlieren, die sich so ungezügelt und voller Lebenskraft vermehrten. Ihre weißliche Masse kroch bereits am Glas des Sichtfensters hinauf.
Das Wunder des Lebens. Das größte Geheimnis der Welt. Dufour spürte brennendes Feuer in seinem Gesicht und hörte Hieronymus’ Stimme.
»Gehorsam ist die Haltung derer, denen Christus über alles geht. ›
Von ihnen sagt der Herr: Aufs erste Hören hin gehorcht er mir‹«,
hatte Hieronymus unerschütterlich verkündet.
Trotzdem… War dieser Weg der richtige? War das sein Weg? Er verriet die Wissenschaft! Seine Wissenschaft!
»Denk an Mike Gelfort. Den hast du bereits auf dem Gewissen. Ist dir sein Tod nicht Mahnung genug? Muss erst ein kleiner Junge sterben, damit du endlich erkennst und gehorchst?«
Hieronymus’ donnernde Worte zermeißelten Dufour die Schädeldecke. Verzweifelt griff er sich an den Kopf, der zu platzen schien.
Nicht länger nachdenken! Nicht wieder diese quälenden Zweifel spüren, die ihn so verzehrten. Hieronymus wies ihm doch den Weg.
Er stellte den Regler des Brutkastens auf »Aus«. Dann zog er sich Schutzhandschuhe und Mundschutz über und entriegelte den Brutkasten. Im Innern spürte er die Temperatur des Lebens:
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