Der Babylon Code
spöttisch an.
»Ich bin Anwältin und vertrete den Herrn, mit dem Sie geschäftlich verabredet waren. Sie hatten einen guten Flug?«
»Sehr gut, danke.« Er starrte auf das blau schimmernde Haar, und ihm fiel die Geschichte ein, die er vor Jahren auf den Antillen gehört hatte. Danach hatte Gott dem ständig maulenden Adam, der sich langweilte, eine besondere Strafe zugedacht. An einem guten Tag zapfte er Adam verschiedene Flüssigkeiten ab. Beim Teufel lieh sich Gott das Salz der Magie, vermischte beides gut und schuf das Antillenweib. Seitdem hatte Adam genug zu tun und quengelte nicht mehr.
»Sie fliegen heute noch zurück?«
»Leider gleich, wenn wir das Geschäftliche erledigt haben«, sagte Sullivan mit bedauerndem Ton. Er starrte auf die Rundungen ihrer kräftigen Brüste unter der Bluse.
»Sehr gut – sehr effizient. – Ich würde es gern sehen«, sagte Noanah Webb ohne Bescheidenheit.
Sullivan riss sich von ihrem Anblick los und hob den Aktenkoffer auf den Tisch. Er ließ beide Verschlüsse aufschnappen und öffnete den Deckel. Dann drehte er den Koffer auf dem Tisch in ihre Richtung.
Sie sah nur kurz auf den Kofferinhalt und lächelte. »Sie haben nichts dagegen, wenn ich es zählen lasse?«
»Nein.« Er sah ihre blitzend weißen Zähne und stöhnte innerlich auf.
Ein schmächtiger Mann in einem abgewetzten Businessanzug betrat den Raum und zog sich mit dem Koffer an einen kleinen Tisch im hinteren Teil des Raumes zurück.
Auf der Tischplatte vor der Anwältin lag plötzlich der Umschlag. Sie hatte ihn die ganze Zeit in der Hand gehalten, aber Sullivan hatte ihn nicht wahrgenommen.
»Sie sind das erste Mal auf den Cayman Islands?«
»Nein.« Seine Augen hingen an der schimmernden Haut unterhalb der Halspartie, wanderten bis zum Brustansatz.
»Also haben Sie häufiger geschäftlich hier zu tun. Wie so viele andere.«
»Früher – ja.« Sullivan sah auf und lächelte so gewinnend, wie er nur konnte. »Ich kenne den
Seven mile beach
mit seinem herrlich weißen Sandstrand. Ein Traum.«
»Es ist hoffentlich immer alles zu Ihrer Zufriedenheit abgewickelt worden – wenn nicht, unsere Kanzlei übernimmt jederzeit weitere Mandate.«
»Ich hatte gehofft, meinen Geschäftspartner hier zu treffen…«
Die Anwältin lächelte ihn von oben herab an.
»Dafür sind wir da. Diskretion ist unser großer Vorteil.«
Die Anwältin sah an Sullivan vorbei. Endlich nickte der Geldzähler und verließ den Raum mit dem Koffer.
»Ich hoffe, ich bezahle die Information nicht zu teuer«, sagte Sullivan.
»Das ist nicht meine Sache.«
Ihr Mund war perfekt geformt, dachte Sullivan und saugte sodann die feinen Linien der geschwungenen Augenbrauen auf.
»Zehn Millionen sind sehr viel Geld«, knurrte er schließlich und dachte daran, dass bei den Geldwäschedeals rund die Hälfte an die Wäscher abzugeben war.
»Finden Sie?«
Die Anwältin schob den Umschlag über den Tisch.
Für einen Moment überwältigte ihn das Verlangen, sie über den Tisch zu ziehen und zu umarmen. Seine Hände zuckten, dann griff er nach dem Umschlag.
Er riss ihn auf. Ein Blatt Papier. Darauf standen in Maschinenschrift ein Name, ein Firmenname und ein Ort, dazu ein Datum, eine Uhrzeit, zwei Treffpunkte.
Als er aufsah, ruhten ihre dunklen Augen forschend auf ihm. Er nickte, und sie verabschiedete sich mit einem kühlen Lächeln.
Eine Stunde später saß er wieder im Flugzeug und dachte immer wieder an die schöne, unerreichbare Frau.
Vilcabamba, Ecuador Montag
Sie kochte. Sie schimpfte sich eine Idiotin, weil sie nicht auf Folsoms Schachzug vorbereitet war. Ihr Ass musste stechen.
»Wir haben ein viel größeres Problem, Hank«, schoss sie auf ihr Ziel los. »Andrew hat einen Toten zu verantworten. Bei einer vorklinischen Studie. Wenn das bekannt wird, dann kracht die Aktie wie ein losgerissener Fahrstuhl in den Keller. Wir müssen uns darauf vorbereiten, eine Strategie entwickeln, es aktiv verkaufen.«
»Einen Toten aktiv verkaufen?«, giftete Andrew Folsom und schüttelte den Kopf. Dann brüllte er: »Es darf nicht bekannt werden!«
»Zoe! Tote bei Medikamententests sind vom Grunde her nie auszuschließen«, erwiderte der Chairman ruhig und sah Folsom missbilligend an. »Die Kunst liegt in der weitestgehenden Risikominimierung, denn die Folgen für die betroffenen Unternehmen sind so gut wie immer katastrophal. Kursstürze, Untersuchungen, Staatsanwaltschaft, Beschlagnahme von Forschungsergebnissen… Das weißt du doch!«
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