Der Bademeister: Roman (German Edition)
folgten ihm, sie griffen nach meinem Arm, lachten mir bedeutsam zu, eine Flasche Wodka hielten sie schon bereit, und als uns Frau Karpfe zu sich rief, musste ich ihnen folgen.
Ich habe nie viel gesprochen und außer für die Badegäste die Stimme nicht gehoben, hören Sie? Habe mich unauffällig gehalten, die anderen gewöhnten sich daran, die Schwimmhalle und mich zu übersehen, es ist gelungen, dass wir in Vergessenheit gerieten, keiner nachforschte, wer sich in der Schwimmhalle befand und wie lange, dass ich unhörbar wurde und unsichtbar, die Badegäste namenlos kamen und gingen, ohne dass einer sie aufhielt oder fragte, woher und wohin.
Vom Wasser, vom Schwimmen, von diesem Ort hat keiner etwas verstanden, vom Gewölbe und den Verzierungen an den Pfeilern oder den Balken mit den Löwenköpfen; durch den hohen Bogen an der Stirnseite fällt das Licht, schlechte Bausubstanz, sagte der Hausmeister nur schadenfroh und sah mich an. Ihm war es gleich, dass Badegäste jahrelang hierhergekommen sind, ins Wasser, als könnte das Hin und Her sie leichter machen, die Körper lang gestreckt und mit gelassenen Gesichtern, dazwischen Kinder mit ihren Spielen, ihren Rufen, die immergleichen Gesten Jahr für Jahr. Bei einigen sah ich, wie sie älter wurden, schließlich nicht mehr kamen. Jetzt ist es still, so still wie die Wasserfläche morgens, so still, als wären alle schon gestorben, und nur die Spinnennetze werden größer.
Verhindern, dass ein Unglück geschieht, das habe ich gelernt. Doch dieses Unglück war nicht vorgesehen, es hat sich meiner Macht entzogen, Staub hat in einem Schwimmbad nichts zu suchen, und mit dem Staub, dem Placken Putz, den Brocken Mörtel hat es angefangen. Ich gehe jetzt von einem Pfeiler zum nächsten, und wo früher das Wasser war, ist jetzt nichts als Staub und der Hall meiner Stimme. Jetzt warte ich auf das Geräusch, das ich nicht hörte damals.
So gut es ging, habe ich das Knistern der Plastikfolie und die schadhafte Stelle ignoriert. Dem Hausmeister bereitete sie Vergnügen, er klopfte mit seinem Hammer an den Rändern der Löcher, um die ohnehin schon losen Brocken zu entfernen, wie er sagte, und ich sagte nichts. Gegen seine Gewohnheit betrat er die Schwimmhalle täglich, hielt einen Hammer in der Hand, trat mit dem Fuß verächtlich gegen die Pfeiler, und auch die anderen kamen, musterten alles wie zum ersten Mal und mit Blicken, die auf Verfall aus waren.
Am Abend trafen sie sich vor dem Büro und tranken, betranken sich, ohne sich zu schämen, als würden sie schon morgen auf andere Schwimmbäder verteilt. Ich habe nie geglaubt, dass ich noch eine Stelle finden würde. Sie sammelten sich vor dem Büro, in dem Frau Karpfe saß und düster in Papieren kramte, das Ausräumen fürchtete, vielleicht auch Unregelmäßigkeiten, die jetzt ans Licht kommen würden, der Hausmeister ging ein und aus, öffnete die Aktenschränke aus Sperrholz und Metall und gab den Putzfrauen Papiere, die sie zum Müll tragen sollten. Wir machen zu! verkündete er schließlich laut und verließ mit den anderen das Schwimmbad. Bald schloss auch Frau Karpfe ihr Büro, rief meinen Namen, und ich musste ihr folgen. Die anderen saßen schon an einem Tisch in einer Kneipe, Klaus unter ihnen, tranken Bier und waren bald betrunken, hoben die Gläser Frau Karpfe entgegen, und als sie mich sahen, stand der Hausmeister auf und rief: Da kommt der Schwimmhallenkönig!
Es war November und es regnete, nicht viele Badegäste kamen, am frühen Abend war das Schwimmbad schon fast leer, so dass der Hausmeister entschied, früher als sonst zu schließen. Frau Karpfe stimmte zu, und Klaus, der Heizer, kam zu mir und sagte, ich müsste mitkommen. Es war November, und seitdem ist die Zeit in Unordnung geraten, so dass sich kaum noch sagen lässt, wie Wochen, Jahreszeiten aufeinander folgen. Damals muss das schon begonnen haben, die Unordnung der Zeit, wie alles mit diesem Geräusch, das ich beim ersten Mal nicht hörte, angefangen hat. Nur wenige Badegäste kamen, will mir scheinen, doch bin ich mir nicht sicher, denn selbst wenn es nicht weniger waren als gewöhnlich, so sahen sie die Schadstelle nicht, bemerkten die Zerstörung nicht oder nahmen sie gleichgültig zur Kenntnis, der Ort war ihnen weiterhin vertraut, während er mir fremd wurde, und sie, die Badegäste, waren Figuren aus einem anderen Leben, wurden vor den schadhaften Wänden, die nicht standhielten, wenn der Hausmeister darin herumstocherte, zu Schatten. Die
Weitere Kostenlose Bücher