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Der Bademeister: Roman (German Edition)

Der Bademeister: Roman (German Edition)

Titel: Der Bademeister: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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Plastikfolie, dahinter die offene Wand, war mir ekelhaft wie früher manche Badegäste, die Schrunden alter Füße, die Gesichter klobige Kugeln auf der Wasserfläche, die morgens die ruhigen Lichtreflexe störten, abends die Stille der leeren Halle, das müde Licht der Glühbirnen, in dem das Wasser tiefer wurde, drei Meter, vier Meter, eintausendundsechshundert Meter wie der tiefste See, hatte ich einmal Tanja, Cremers Tochter, erklärt. Vom Meer sollte ich ihr erzählen, hatte sie verlangt und auf das Schwimmbadwasser gezeigt, doch konnte ich ihr über das Meer nichts erzählen. Das Schwimmbad sei nicht schlechter als das Meer, erklärte ich und war auf das Gebäude stolz. Erst jetzt weiß ich, dass ich mich jahrelang getäuscht habe. Denn früher schien mir das Schwimmbad fest gemauert, die gleichmäßigen Bögen und das Gewölbe, die Pfeiler, das Becken, und nichts könnte dem Wasser etwas anhaben, solange ich dafür verantwortlich war. Nun tauchten, obwohl es Herbst war, fast schon Winter, die Fledermäuse in diesen Tagen auf. Als ich die Glasbausteine des Bogens in der Stirnseite absuchte nach einer Lücke, durch die sie von draußen eindringen konnten, sagte mir Klaus, sie nisteten im Heizungskeller und flögen durch den Gang in die Halle. Im Winter schlafen sie, erklärte er mir und war selbst verwundert; doch flatterten sie plötzlich aus ihren Nischen, sowie das große Licht gelöscht war, schrillten höhnisch, höhlten inwendig Galerie und Stützpfeiler aus, bis die Löwen auf den Fliesen zerschellen würden, flogen vor dem helleren Hintergrund des Lichtbogens, hingen als schwarze Silhouetten davor und zitterten mit ihren dünnen Flügeln. Auch jetzt schwirren sie mir manchmal um den Kopf, wenn ich ins Becken hinuntersteigen will, so dicht, dass ich den Luftzug spüre, sie fliegen aus dem staubigen Dunkel auf oder hängen mit gefalteten Körpern hinter den Pfeilern unter der Galerie, als wollten sie verkünden, dass es vorbei ist mit dem Gebäude.

    Kommst du mit, fragte Klaus mich tags darauf. Der Hausmeister verkündete: Wir schließen jetzt!, nun mach schon, wandte er sich zu mir, der Schwimmhallenkönig kommt mit, rief er den anderen zu, als er hinter mir in die Eingangshalle trat.
    Spätnachts brachte mich Klaus wieder nach Hause. Wir trinken dann bei dir noch was, sagte er unterwegs, und ich musste ihm sagen, dass ich bei meiner Mutter wohne, und schämte mich, versuchte, seine Hand von meinem Arm abzuschütteln. Mir soll es gleich sein, wenn ich keine Stelle finde, sagte ich Klaus, und wo ich wohne, ist mir egal, bei meiner Mutter, es ist ja Platz genug für zwei, war früher Platz genug für drei.
    Mein Vater ist längst gestorben, jetzt ist auch meine Mutter tot, im Bad liegen noch Lockenwickler, ich habe mich vor ihr geekelt, doch gab es Platz genug.
    Bei uns hat nie einer getrunken, sagte ich Klaus, der neben mir herging und mich auslachte, weil ich bei meiner Mutter lebte, ist alles eins, sagte ich ihm, die Lockenwickler und die Bürsten, wie du sie in den Umkleidekabinen liegen siehst, ich wollte eh nicht Bademeister sein, jeden Tag hässliche Körper mit ihrem welken Fleisch, den müden Brüsten, dazu die Männer, frisch aus ihren Bürostühlen aufgestanden oder mit krummen Rücken vom Kohleschleppen, tagtäglich, hörst du? sagte ich Klaus, immer die gleiche Hässlichkeit, und wenn sie Badekappen tragen, haben sie weiße Schädel und keine Gesichter. Eh schon zu lange, sagte ich Klaus, als wir vor der Haustür standen, du hast es gut, dass du im Keller bist. Es ist das Wasser, sagte ich, das Wasser saugt sich voll mit all der Hässlichkeit, man kann ihm nicht entkommen. Das Wasser rächt sich. Tagaus, tagein die gleichen Körper, ein wenig Stoff und Haut, das nasse Haar, die dicken Beine, die mühsam den Rumpf aus dem Wasser stemmen, schlaffe Arme, die sich an den Leitern hinaufziehen. Was murmelst du da vor dich hin? fragte Klaus. Ist eh schon zu lange, antwortete ich. Mir ist es gleich, wenn ich keine Arbeit mehr finde.
    Nun sei schon ruhig, sagte Klaus. Du kommst doch mit? fragte er am nächsten Abend wieder, grinsend standen die anderen am Eingang, er kommt mit, rief einer, lass ihn doch, er spinnt, ein anderer. Hältst dich wohl für was Besseres? fragte der Hausmeister in der Kneipe, als ich nicht gleich mit ihnen trinken wollte, mal sehen, wer zuerst den Entlassungsbrief bekommt.
    Einmal wartete meine Mutter nachts in der Küche, du bist betrunken, sagte sie, dein Vater hat nie

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