Der Bademeister: Roman (German Edition)
keiner schreien müssen, dachte ich, habe es nie leiden mögen, wenn einer schreit, was niemals Gutes bedeutet, wogegen ich das Rufen gern gehört habe und auch das Gekreisch von Kindern, das sich aus einem Schwimmbad nicht wegdenken lässt, zu einem Schwimmbad gehört Kinderlärmen, wenn Kinder da sind, aber das ist kein Schreien, sondern ein helles Lärmen, wie die Rufe, die mir galten, Bademeister!
Hören Sie! und dann hat von einem Tag auf den anderen keiner mehr gerufen, nur Cremer sagte noch ein paarmal: Guten Morgen, Hugo, das war alles, denn mit meiner Mutter habe ich selten gesprochen, sie schlief, wenn ich das Haus verließ, und wenn ich zurückkam, schlief sie auch, in dieser letzten Zeit hat sie viel geschlafen, und es dauerte nicht lange, bis sie gestorben war. An diesem Tag lebte sie noch, nur sprachen wir kaum miteinander, ich sagte ihr kein Wort und sie mir nicht, das war alles. Sie hörte schlecht, hatte sie mir erklärt, und vielleicht hörte auch dieser Mann, der auf der Bank saß und schlief, nicht gut, oder er schlief sehr tief und fest, doch gibt es auch Leute, die plötzlich sterben, selbst wenn es nur selten vorkommt, dass einer mitten auf der Straße stirbt. Aber man kann sich ja nicht sicher sein, und vielleicht war dieser Tag ein Unglückstag, obwohl keiner etwas sagte und alle vorübergingen und keiner den Mann beachtete, so wie mich niemand beachtet hatte, außer dem Mann in den karierten Hosen, der mich angestarrt hatte, verkrüppelt und vielleicht verrückt, zu kurze Hosen trug, wogegen der Mann auf der Bank ordentlich gekleidet war, den Kopf in die Hände gestützt, die Hände auf einen kleinen Koffer, der neben ihm stand, und mich hörte er nicht. Aber dann fing er an zu schnarchen, es war kein Unglückstag, nichts war geschehen und nichts geschah, an diesem Tag so wenig wie an einem anderen, und plötzlich dachte ich, wenn der Mann gleich aufwachte, würde er glauben, ich sei verrückt, und lief schnell weiter.
Wer nicht ordentlich aussieht, soll nicht auf die Straße gehen, hat mein Vater gesagt. Wenn er Flecken oder ein Loch oder abgerissene Knöpfe entdeckte, brüllte er, und seit meinem fünfzehnten Geburtstag habe ich keine Hose getragen, die zu kurz war. Meine Mutter hat meine Kleidung stets ordentlich gehalten, holte sie aus meinem Zimmer, wenn ich im Schwimmbad war, und kaufte, was mir fehlte. Wir haben darüber so wenig gesprochen wie über anderes. Dass wir gemeinsam im Wohnzimmer oder in der Küche saßen, kam selten vor, nur an den Tagen, an denen das gesamte Schwimmbad geschlossen blieb. Beiden war uns das nicht angenehm, auch wenn sie sich beklagte, ich redete nicht mit ihr. Du erzählst nie etwas, beklagte sie sich, doch gab es nichts zu erzählen, und von meiner Tätigkeit als Bademeister wollte sie nichts hören. Sie hörte sowieso nicht gut. Später war sie fast taub, weswegen sie häufiger lächelte als früher, wenn sie ausging, schon im Flur zu lächeln begann, falls ich nicht genau höre, was die Leute reden, erklärte sie und tat so, als verstünde sie, was einer sagt, und lächelte. Das machen alle so, behauptete sie, es macht keinen Unterschied. Morgens setzte ich den Kaffee für sie auf. Wie sie den ganzen Tag über verbrachte, weiß ich nicht, denn seit die Bekannten meines Vaters weggeblieben waren, besuchte sie niemand mehr, und in der Wohnung war nicht viel zu tun. Warum soll ich jemanden besuchen, wenn keiner zu mir kommt? sagte sie und beklagte sich, nicht einmal ich, nicht einmal mein eigener Sohn redet mit mir.
Wenn dein Vater das noch erlebt hätte, sagte sie, als die Mauer fiel, und dann verlangte sie, ich sollte mit den Behörden sprechen, dein Vater, sagte sie, ist verfolgt worden, vielleicht geben sie dir endlich eine Stelle. Eine Schande, sagte sie oft, wenn ich nach Hause kam, und suchte meine Kleider nach Flecken ab. Ich habe meine Kleider nicht abgenutzt, da ich während der Arbeit Badehosen und einen Bademantel trug, die Hemden und Hosen nur auf dem Weg zwischen dem Schwimmbad und der Wohnung, und auch die Lederschuhe lief ich nicht ab, weil ich sie nicht anzog, so dass ich an Kleidung nicht viel benötigte, und was ich anhatte, war untadelig.
Wenn man sich ordentlich hält, kann einem nichts passieren. Am Ende geht man nicht verloren, dachte ich. Jeder, der einen sieht, wird erkennen, dass alles ein Irrtum ist. Ein Irrtum ist bedauerlich, und man muss alles tun, dem abzuhelfen.
Jetzt liegt nichts mehr daran. Wer jetzt vom Beckenrand
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