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Der Bademeister: Roman (German Edition)

Der Bademeister: Roman (German Edition)

Titel: Der Bademeister: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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springt, zerschlägt sich den Schädel auf den Fliesen. Der ganze Boden sei blutverschmiert gewesen, hat der alte Bademeister mir erzählt, es lagen Tote dort, und seit das Becken leer ist, liegen sie wieder da. Bei Kriegsende, hat der alte Bademeister mir gesagt, haben sie die Gefangenen erschossen. Soldaten hätten ihn, der im Gebäude nebenan wohnte, gezwungen, aufzuschließen, die Leichen wegzutragen, das Becken zu reinigen. Zwölf seien es gewesen, hat der alte Bademeister mir gesagt. Seit die Halle und das Becken leer sind, kommt es mir vor, als spürte ich den Gestank, der zwischen den Kacheln aufsteigt, und Männer kommen, die ich nicht kenne, mit Stiefeln betreten sie die Schwimmhalle, ohne mein Rufen zu beachten, und es gibt andere, die nackt auf dem Boden hocken, im leeren Becken, oder auf und ab gehen wie Gefangene.

    Sie werden das Gebäude abreißen. Die ganze Stadt ist voller Baustellen, das habe ich gesehen, tiefe Gruben voller Wasser, an deren Wänden Leute wie Insekten klettern, mit großen Helmen, mit Geräten, und über ihnen kriechen Bagger den Grubenrand entlang, als wollten sie die Grube und alles, was sich darin bewegt, mit Erde zuschütten.
    Mit einem Presslufthammer, hat Cremer erzählt, musste man das Grab für seine Mutter in die gefrorene Erde brechen. Es ist uns deswegen, hat er hinzugefügt, teurer zu stehen gekommen als sonst eine Beerdigung. Aber wo hätte sie so lange bleiben sollen? fragte er und meinte seine Mutter.
    Die Gruben sind groß genug, um ganze Häuser darin verschwinden zu lassen wie unter einem Steinschlag oder Erdrutsch, der verschlingt, was vorher da war, und schon nach ein paar Tagen sieht alles aus, als wäre es nie anders gewesen.
    Die Leichen faulen, werden zu Wasser, das Wasser versickert, und wenn es nicht versickert, sammelt es sich an einem Ort, und wenn man beim Graben in eine unterirdische Leichenwasserblase hineinsticht, spritzt es wie eine Fontäne auf, und wen es trifft, der stirbt. Leichenwasser ist giftig, die Toten werden zu giftigem Wasser, hat Cremer mir aus einer Zeitschrift vorgelesen. Sie lösen sich auf, und wenn der Friedhof billig angelegt ist oder ungünstig gelegen, sterben die Friedhofsgärtner und die Totengräber wie die Fliegen. Von den geologischen Schichten hängt das ab, hat Cremer vorgelesen, und ein Tropfen Leichenwasser reicht aus, um einen Lebenden zu töten. Ob die Leiche ertrunken ist oder sich aufgehängt hat wie mein Vater, ist ganz egal. Das Abschneiden habe ich besorgt, und dann ist er begraben worden. Bei seinem Begräbnis war ich nicht dabei. Man hätte ihn verbrennen sollen. Dass er gestorben ist, hat mir nicht geholfen. Auf dem Globus gibt es mehr Wasser als Land, und selbst da, wo Land ist, findet man unterirdisch Wasser.
    Bei seinem Tod habe ich mir auf dem Globus die Länder angeschaut, in die ich reisen würde. Aber das Wasser überwiegt, es hat den Sieg davongetragen.

    Wenn ich durch die Wohnung lief, achtete meine Mutter darauf, dass ich keine Flecken machte, mein Vater schickte mich hinaus, und wenn ich zurückkam, durfte an meinen Schuhen kein Blatt, kein Dreck, kein Kratzer sein, hinter meinen Schritten lief meine Mutter her und prüfte, ob ich Spuren hinterließ, sie schickte mich aufs Zimmer, mein Vater rief nach mir, sobald er nach Hause kam, und wenn ich aus dem Zimmer trat, gab er mir eine Ohrfeige, fragte mich, was ich in meinem Zimmer täte, nie war ich allein zu Hause, die Zimmertür durfte nicht geschlossen sein, und meine Mutter kontrollierte es. Der Junge wird ein Stubenhocker, brüllte mein Vater und schickte mich hinaus. Die Hosen trug ich auf, bis sie über meinen Knöcheln endeten, aber meine Schuhe waren immer neu. Die anderen Kinder versteckten sich, wenn sie mich sahen, warfen mit Dreck nach mir, mit Blättern, Steinen, spotteten, weil ich die Parks und andere Plätze mied, wo Dreck war, wo Unterholz und Steine die Schuhe zerkratzten, schau dir deine Schuhe an, brüllte mein Vater. Ich sollte mit den Schuhen nicht ins Zimmer, am Eingang sollte ich sie abstellen und wenn er nach Hause kam, kontrollierte er als Erstes meine Schuhe, dann kam er den Flur entlang und stand im Zimmer und riss mir die Bücher aus der Hand.
    Ein Duckmäuser und Stubenhocker, brüllte er, wenn er mich über meinen Büchern sah. Ich habe ihn nie unrasiert gesehen. Er trug immer Hemden und eine von seinen drei Krawatten. Über dem Hemd war sein Gesicht glatt, nur wo der Kragen sich um den Hals schloss, sah man die Haut,

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