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Der Bademeister: Roman (German Edition)

Der Bademeister: Roman (German Edition)

Titel: Der Bademeister: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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mich um einen Studienplatz, um wenig später ins Schwimmbad zurückzukehren, ein anderes Schwimmbad und für mich das Letzte, denn jetzt bin ich entlassen, nicht versetzt, sondern entlassen in den vorzeitigen Ruhestand.

    Ich bin im Kreis um einen Platz herumgelaufen, aber über die Straße und den Autolärm hört keiner, wenn man ruft. Die Kinder konnte ich spielen sehen, mehrere Kinder in mehreren Gruppen, und ein paar ältere Leute, die in dicken Mänteln und mit Hunden an der Leine auf und ab oder ebenfalls im Kreis gingen, und eine Frau mit einem dunkelgrünen Hut stolperte über ihren Hund und wäre fast gestürzt. Ich rief, so laut ich konnte, aber nicht laut genug, die Frau war zu weit weg, ein Omnibus fuhr zwischen ihr und mir vorbei. Das Schwimmbad hat immer die gleiche Größe, und mit den Jahren lernt man genau, wie laut man rufen muss, um gehört zu werden. Zwei Mädchen standen neben mir, und als sie kicherten, wusste ich, dass ich das Falsche gerufen hatte. Die Frau mit ihrem Hut und Hund hatte sich wieder aufgerichtet. Springen vom Beckenrand verboten. Achtung Nichtschwimmer! Im Schwimmbad weiß ich, was ich rufen muss. Am Tag zuvor war ich noch dort gewesen, auch wenn in den Wannenbädern keiner ertrinkt. Das Schmutzwasser hinterlässt einen dunklen Rand in der Badewanne. Es ist wichtig, dass die Badegäste duschen, bevor sie ins Schwimmbad steigen. Ein Streifen roter Fliesen warnt vor dem Becken, denn wer stolpert, kann ins Wasser fallen. Wenn man einen Platz aufmerksam im Auge behält, stößt man leicht gegen andere Passanten oder gegen eine Laterne oder eine Telefonzelle. Ein Mann beschimpfte mich, weil er glaubte, ich wäre betrunken, aber das ist nicht wahr. An vier Abenden habe ich getrunken und sonst nie. Die Straße habe ich vorsichtig überquert, um näher an dem Platz zu sein, nur war die Frau schon außer Sicht, und als ich weiterlief, befand sich ein Teil des Platzes gleich hinter meinem Rücken, so dass ich nichts mehr sehen konnte. Im Schwimmbad ist es ratsam, den roten Streifen zu beachten, und wenn man ihn entlanggeht, kann man keinen Fehler machen.

    Als Bademeister hat man auf der Straße nichts zu tun. Die Plätze sind zu groß, die Straßen sind zu laut, und wenn man etwas ruft, ruft man das Falsche. Ich bin entlassen.
    Aber das Haus habe ich morgens immer gleich verlassen. Gleich früh am Morgen machte ich mich auf den Weg ins Schwimmbad. Ich kenne den Weg genau, die Stellen, wo Pfützen stehen bleiben, wenn es regnet, den Geruch der Häuser und den Geruch aus den Hofeinfahrten, die Geräusche der schweren Türen, wenn sie aufgestoßen werden, wieder ins Schloss fallen, die eiligen oder müden Schritte, die gesenkten Köpfe, manchmal schon ein Kind, das rennt, wie Tanja gerannt ist, von Cremers Kiosk aus und mir entgegen, dann bellt ein Hund, zerrt an der Leine, und Fenster öffnen sich und schlagen zu. Beim Aufwachen fällt es mir manchmal wieder ein, dann höre ich, was ich bis vor ein paar Jahren jeden Morgen hörte. Inzwischen haben die Geräusche sich verändert, gibt es mehr Autos, die Leute sehen anders aus, Tanja ist schon lange tot, und selbst die Luft ist nicht dieselbe, doch auch daran habe ich mich gewöhnt, und manchmal setze ich mich auf meiner Pritsche im Heizungskeller auf, gleich werde ich losgehen, denke ich, bis mir einfällt: Ich bin schon da.

    An diesem ersten Morgen fragte ich mehrmals nach der Uhrzeit, denn nach dem Weg konnte ich nicht fragen, und eine Armbanduhr besaß ich nicht. Die Leute schauten ärgerlich, zeigten auf die Normal- und Kirchenuhren und gingen weiter, und ich hätte gern erklärt, dass ich der Bademeister bin und nicht gewöhnt, um diese Zeit draußen zu sein, doch keiner wusste vom Schwimmbad und von seiner Schließung, und keiner hat mich erkannt.
    Als ich Cremer später sagte, ich sei entlassen, zuckte er die Achseln und erklärte, der Einzige sei ich nicht, ich solle mich darüber freuen, in ein paar Jahren wärst du nur noch im Kreis gelaufen, selbst auf offener Straße wärest du im Kreis gelaufen, sagte er. Man könnte die Größe des Schwimmbades mit Hilfe deiner Schritte aufzeichnen, sagte Cremer, als hätte er mich beobachtet.
    Ich weiß, dass den Leuten nicht nur im Schwimmbad ein Unglück zustoßen kann. Cremers Tochter ist auf der Straße überfahren worden, und Cremer selbst hat mir zuweilen aus der Zeitung vorgelesen, was dem einen oder anderen zugestoßen ist, einer vom Blitz erschlagen, ein anderer von einem Ziegel

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