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Der Bademeister: Roman (German Edition)

Der Bademeister: Roman (German Edition)

Titel: Der Bademeister: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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oder einem Ast, letztlich kein großer Unterschied, nur geht es mich nichts an, wenn einer nicht ertrinkt.

    Ich wäre gerne umgekehrt. Verstehen Sie? Es war ein schöner Tag, das Wetter schön, es regnete nicht, es war ein Tag, spazieren zu gehen, aber ich wäre gerne umgekehrt. Was ich an Kleidungsstücken trug, war für den Weg von der Wohnung bis ins Schwimmbad ausreichend gewesen. Es ist ein kurzer Weg, selbst im Schlaf könnte ich ihn zurücklegen, und war es einmal kalt und regnerisch, so war der Schaden doch nicht groß, denn gleich gelangte ich ins geheizte Schwimmbad und zog die nassen Kleider aus.
    Die Füße taten weh, ich hätte mich gerne ausgeruht, doch war es kalt, und ich wusste nicht, wo ich mich hinsetzen sollte. Es ist nicht angenehm, sich in aller Öffentlichkeit auf eine Bank zu setzen. Ich hatte keinen Grund, mich auf der Straße aufzuhalten. Ein Bademeister hat dort nichts zu tun. Ich wäre gerne umgekehrt, obwohl ich die Richtung verloren hatte, und sobald ich sie wiedergefunden hatte, sobald ich in gerade diese Richtung gehen wollte, fiel mir ein, dass ich in dieser Richtung ebenso wenig wusste, wohin ich gehen könnte, so dass ich kehrtmachte, und da ich mich nicht allzu weit entfernen wollte, umrundete ich einen großen Platz, als wäre er das Schwimmbad. Ich müsste wachsam sein, denn einer muss immer achtgeben, dass kein Unglück geschieht, dachte ich, und solange man darauf achtet, kann einem selbst nichts zustoßen, weil es unsinnig ist und unverantwortlich, wenn der Bademeister zu Schaden kommt, während er darüber wacht, dass kein Badegast ertrinkt.
    Aber es gelang mir nicht, aufmerksam zu sein. Die Farben gleiten von den Autos und Reklametafeln und Kleidern der Leute zu weiteren Leuten und Reklametafeln oder Autos, alles bewegt sich schnell, viel schneller als in einem Schwimmbad. Ich wollte, dass es endlich still sein sollte, aber die Farben lärmten, bis ich die Hände hob, so wie im Schwimmbad, wenn ich Ruhe! rief. Hören Sie? Es war zu laut. Ich habe die Hände ausgestreckt. Dazu musste ich stehen bleiben, und ein Passant, der hinter mir lief, stieß mich in den Rücken und zischte etwas, und ich stand da, die Hände ausgestreckt, und die Hände waren rot vor Kälte.

    Als ich den Mann sah, der vor mir ging und leise mit sich selber sprach, erschrak ich, als müsste ich ihn kennen. Er krümmte sich oberhalb der Schultern in einem dicken, grauen Mantel, aus dem zwei kurze und karierte Hosenbeine hingen, an seinen mageren Unterschenkeln trug er einen grauen und einen schwarzen Socken, die Schuhe waren ihm zu groß, und als er stehen blieb, sah ich, dass sein Hals schief zwischen den gewölbten Schultern stakte. Er drehte sich zu mir und lächelte, murmelte dabei vor sich hin, stockte und setzte wieder an, als wollte er mir etwas sagen, und ich erschrak ein zweites Mal, obwohl ich ihn nicht kennen kann. Im Schwimmbad war er nicht gewesen, ich glaube nicht, dass man mit einem Buckel schwimmen kann, es gibt auch Leute, die keinen Buckel haben und nicht schwimmen können, und einen Badegast mit einem Buckel hätte ich mir gemerkt, denn wenn man auch die Leute nicht beim Namen kennt, so sieht man doch genau, wie einer sich bewegt und ob er buckelig ist oder nicht. Er lächelte mich an, als müssten wir uns kennen, und da ich schneller ging, tat er es ebenso, ging im gleichen Schritt, als wäre er mein Schatten, und ich schämte mich, weil das für einen Bademeister kein Umgang ist, und wenn ich mit mir selber spreche, ist das etwas anderes, denn was ich sage, ist vernünftig, und jeder, der mir zuhört, wird mich ohne Schwierigkeit verstehen.
    Früher kamen zuweilen Krüppel und Invaliden, und wären sie nicht tot, müsste ich sie noch erkennen, aber das ist lange her, weswegen sie inzwischen tot sein müssen. Als Kind hatte ich Angst vor ihnen, weil mich mein Vater anschrie, ich müsste dankbar sein, dass er kein Krüppel sei, obwohl auch er im Krieg gewesen war, ihm müsste ich dankbar sein dafür, und ich war dankbar, dass er mich mit gesunden Händen packte und schrie, ich dürfte das nie vergessen. Er hat befohlen, dass ich Sport treibe, weil ich so langsam lief und nie den Ball fing, Ballspiele habe ich gehasst, und deswegen bin ich geschwommen, denn sonst würde ich ein Schwächling bleiben, kaum besser als ein Krüppel. Schau sie dir an, schrie mein Vater, und seine Arme waren gesund und stark, und von den Krüppeln und Idioten wollte er nichts wissen. Bei uns ist keiner

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