Der Bademeister: Roman (German Edition)
tragen, ganz ohne es zu spüren, und auch meine Schritte waren leicht, und alles würde sich jetzt wieder fügen, ich ging hinauf, als wäre es so vorgesehen und vertraut, wie mir das Schwimmbecken vertraut gewesen war, trat gleich bis an den Rand, lief dicht am Beckenrand entlang bis zu den Treppen, die früher für die Nichtschwimmer ins flache Wasser führten, vorsichtig ging ich hinunter und weiter bis dahin, wo das Wasser tiefer wird, legte den toten Fisch sachte auf die türkisen Kacheln.
Er liegt dort immer noch.
Er liegt noch immer dort, wird mit der Zeit vielleicht kleiner oder zerfällt schließlich zu Staub; ich weiß nicht, wie es sich mit toten Körpern verhält, wenn sie so daliegen. Cremers Tochter Tanja wurde mit dem Krankenwagen weggefahren, danach habe ich sie nicht mehr gesehen, aber manchmal stelle ich mir vor, dass sie hier im Schwimmbad läge, ganz ruhig, ganz ausgetrocknet und sehr leicht, so wie sie wirklich leicht war, als ich sie auf den Armen hielt, weil Cremers Hände zitterten. Das Schwimmbad würde ihr so nicht gefallen, denn sie ist gerne geschwommen, und allenfalls für kurze Zeit hätte es ihr Spaß gemacht, das ganze Gebäude für sich zu haben.
Aber das spielt keine Rolle, und der Gedanke an den Staub wäre noch unerträglicher, wenn sie dort läge, ein totes Kind, im Staub, heute wäre sie längst erwachsen, es ist ganz sinnlos, darüber nachzudenken, nur geht es mir manchmal durch den Kopf, wenn ich das leere Becken sehe, in dem der tote Fisch liegt, nichts weiter als ein schwarzer Fleck.
Wenn ich an meine Eltern denke und an Tanja, dann scheint mir, dass nicht alle Toten in der gleichen Weise tot sind, auch wenn sich die meisten in ihre neue Ordnung fügen, und letztlich gibt es keinen Grund, sie zu vermissen. Man denkt an sie nicht anders, als man an die Uhrzeit denkt oder an irgendetwas anderes, das unausweichlich ist.
Vielleicht hätte auch ich mich an den gegenwärtigen Zustand als einzig möglichen gewöhnt, wenn nicht ein weiterer Placken Putz und Farbe aus der Wand gebrochen und mit einem Geräusch, das nicht sehr laut ist, zu Boden gefallen wäre. Jetzt warte ich. Jederzeit kann es wieder vorkommen. Sobald ich aufhöre zu sprechen, wird diese Stille unerträglich, nur die Erwartung, dass ein weiterer Placken aus der Wand bricht, bleibt.
Von einem der Steinlöwen ist vorletzte Nacht eine Tatze abgebrochen. Jetzt stakt das Bein unter seiner Fratze und ist zu kurz. Der Stein ist zerbröckelt. Das Schwimmbad verfällt, wird eines Tages abgerissen werden, ohne dass irgendjemand etwas sagt.
Ich war zurückgekehrt und stand am Beckenrand, schaute zur Uhr hinauf, die noch nicht stehen geblieben war, beobachtete den Sekundenzeiger und wie er weiterrückte. Ich habe nichts gesagt, es war sehr still. Wenn ich nur wieder im Schwimmbad wäre, dachte ich, als wäre das eine Rettung, als würde sich dann alles von allein finden. Die Uhrzeiger bewegten sich, und selbst, wenn ich den Blick abwandte, konnte ich es hören. Sonst war es still, nur noch die Zeit war übrig, und sie verging so langsam, dass ich bewegungslos stehen blieb, nicht wusste, was ich tun könnte.
Als der Placken, etwa einen halben Meter groß, aus der Wand brach, das Loch tiefer war als das erste Mal, so tief, dass rostiges Gestänge bloßlag. Als ich das Geräusch hörte, danach die Stille, fiel mir der Tag meiner Rückkehr ein. Wie lange ich jetzt hier bin, kann ich nicht genau sagen, aber es müssen schon einige Wochen sein.
Aus dem Keller holte ich einen Besen und einen Blecheimer. So gut ich konnte, habe ich den losen Dreck beseitigt, aber der Staub ist überall, und viel habe ich letzlich nicht ausgerichtet. Ich habe mich bemüht, habe um das ganze Becken herum gekehrt, vorsichtig, damit der Staub nicht aufgewirbelt wird.
Dann sah ich die Schilder und was darauf geschrieben stand und dass es nichts mehr sagt.
Es ist so wie im Winter, wenn es nachts schneit, wenn man die glatte, weiße Straße sieht und plötzlich fürchtet, dass es für immer ist, dass niemals jemand kommen wird.
Ich werde niemandem die Tür öffnen. Manchmal scheint mir, dass einer klopft, von draußen einer, der hereinwill oder einen Scherz macht, vielleicht ein Kind, vielleicht ein Badegast, der sich ärgert; ich stehe dann ganz still, und meistens ist es wohl ein Irrtum, ein Klopfen in der Heizung, ein Geraschel, doch werde ich Vorsorge treffen, dass gegen meinen Willen keiner hereinkann, am Haupteingang von innen ein Schloss
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