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Der Bademeister: Roman (German Edition)

Der Bademeister: Roman (German Edition)

Titel: Der Bademeister: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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nicht, denn der Verbandskasten war fort, es tropfte auf den Boden und auf meine Jacke, die ich nicht ausgezogen hatte. Da musste ich doch das Licht anmachen, ich suchte in der kleinen Kammer, im Werkzeugraum, nahm schließlich Klopapier und ein Halstuch aus dem Schrank für Fundsachen, ich wollte nie ein Dieb sein, in einem wirren Haufen lagen Handtücher und Badezeug, dazwischen Blut, die Jacke und das Hemd verschmiert, die Jacke zog ich aus, es war sehr kalt. Als die Hand verbunden war, löschte ich schnell das Licht, weil man es von draußen sehen könnte und niemand wissen durfte, dass einer hier ist. Wer Bademeister wird, lernt, wie man Verletzungen behandelt und eine offene Wunde verbindet. Aber es war nie notwendig geworden, das zu tun, weil nie etwas passiert ist, und dass die Frau in der Auskleidekabine zusammenbrach, hat mit dem Schwimmbad nichts zu tun.
    Ich setzte mich auf einen Stuhl im Heizraum. Dann ging ich wieder hoch.
    Ich habe die Plastikfolie von der Wand gerissen. Haben Sie das Geräusch gehört? Wegen der Nägel, die ich mit herausriss, wurde das Loch größer, ich trug das Plastik in die Auskleidekabine, es liegt noch immer dort. Im Werkzeugraum fand ich Schaufel und Besen. Ich habe nicht viel ausgerichtet.

    Manchmal glaube ich, die Badegäste müssten gleich zurückkehren, das Becken würde erneut gefüllt und alles seine Ordnung haben. Dann sehe ich die Wände, die vergilbte Farbe, sehe, dass sich die Fliesen lösen, so wie ich an diesem ersten Tag unter meinen Tritten im Becken eine lose Kachel fand, sie vorsichtig herauslöste, später hinunter in den Keller trug, dort lag sie auf dem Tisch vor dem Aquarium, die Fische fast erstarrt, noch vier davon am Leben, vielleicht hätten sie sich gegenseitig aufgefressen, so wie sie an dem toten fünften Fisch gefressen hatten, den sechsten Fisch und deshalb nicht verhungert waren. Sie schwammen langsam hin und her, so wie ich immer hin- und hergegangen war am Beckenrand. Müsste die Kachel einkleben, dachte ich, das Wasser im Aquarium ersetzen; ich wusste nicht, wie man die Fische fängt, ich wagte nicht, sie anzufassen.

    Ich dachte, dass ich gehen würde, sobald es dunkel wäre, aber mit der verletzten Hand, dem blutigen Halstuch darumgewickelt, traute ich mich nicht auf die Straße. Klebstoff für die Kachel und Fischfutter musste ich kaufen, und ich hatte nichts gegessen, nur Wasser aus dem Wasserhahn im Bad getrunken. Dass man mir ansehen würde, woher ich käme, und mich festhalten würde, fürchtete ich. Ich suchte eine Decke, denn mir war kalt, fand keine, nahm schließlich zwei Handtücher, im Keller hielt ich den Gestank nicht aus, ging wieder hinauf in die Halle, dort setzte ich mich auf die Bank, vielleicht bin ich auch eingeschlafen, die Handtücher über meine Schultern und meinen Bauch gebreitet.

    Die ganze Nacht lang war es dunkel, weil ich nicht wagte, Licht anzumachen. In die Halle drang schwacher Lichtschein von der Straße. Die Kachel hatte ich wieder mit hoch genommen und neben mich auf die Bank gelegt, die Handtücher rochen modrig, an den Rändern lösten sie sich auf, erst waren es Fussel, dann ganze Stückchen Stoff, die mir an der unverletzten Hand klebten. Man sitzt sehr aufrecht auf diesen Bänken, die zweite hatte Frau Karpfe für ihren Garten abtransportiert, willst du den Rettungsring zum Andenken? hatte der Hausmeister grinsend gefragt, aber darauf kommt es nicht mehr an. Der Rettungsring kann niemanden mehr retten.
    Ich saß die ganze Nacht dort wie zur Totenwache. Im Dunkeln schien der Raum viel größer und so, als breitete er sich weiter aus, aber das ist nur eine Täuschung. Ein leises Knirschen hörte ich, ein Zähneknirschen, und ich saß wie zur Totenwache, konnte nicht weg, ohne die Toten zu verärgern. Man sitzt sehr aufrecht, weiß nicht, ob man wartet oder wacht, vielleicht ist einer auch zu wenig, aber außer mir ist keiner hier, alle sind gegangen ohne Widerworte. Ich wollte gerne fort. Die ganze Nacht wollte ich endlich gehen, saß auf der Bank unter der Galerie, unter den Löwenfratzen, schwacher Lichtschein drang durch die Glasbausteine gegenüber, die Halle schien so groß, als könnte ich sie nicht durchqueren, ich würde vor dem Morgen die Treppen in den Heizungskeller nicht erreichen, wäre unterwegs verloren, und in dem Becken, das im Dunkeln lag, glaubte ich zu sehen, wie im leeren Becken Leute schwammen, geduldig ihre Bahnen zogen, hämisch zu mir heraufblickten.
    Ich gehe nicht mehr auf die

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