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Der Bademeister: Roman (German Edition)

Der Bademeister: Roman (German Edition)

Titel: Der Bademeister: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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Man kann das Feuer in den Öfen hören. Nie sind hier Leute ein und aus gegangen, es war kein Ort, an dem mehrere Menschen sich gleichzeitig aufhielten, außer zum Zweck der Übergabe, um sich abzulösen, einer, der geht, der andere kommt, denn bis Klaus kam, gab es immer mehrere oder wenigstens einen zweiten Heizer. Die Fische gehören Klaus. Wenn ich der Heizer wäre, müsste Klaus mich ablösen. Aber er hat die Fische hier gelassen. Selbst die Welse wären fast verhungert. Er kommt nicht zurück.

    Badegäste haben im Heizungskeller nichts verloren. Der Heizungskeller ist ein abgeschiedener Ort, jedes Hin und Her zwischen der Schwimmhalle und dem Heizungskeller ist verboten, da unweigerlich Kohlenstaub an Kleidern und Schuhen haftenbleibt und die Schwimmhalle verschmutzt. Wer aus dem Keller kommt, soll die Schuhe ausziehen oder mit einem Lappen sauberwischen. Wenn hier Leute sind, sollen sie sich daran halten, auch ich bemühe mich darum, obwohl ich, seit es keinen Heizer gibt, für die Öfen verantwortlich bin und nicht vermeiden kann, zwischen dem Keller und der Schwimmhalle hin- und herzugehen.
    In der Schwimmhalle darf der Bademeister keinesfalls schlafen. Wenn ich mich hinlege, dann mitten ins Schwimmbecken, denn solange ich darin liege, wird kein anderer ertrinken. Ich höre die Leute rechts und links an mir vorbeigehen, spüre den Luftzug, die leisen Tritte, ich höre ihr Geflüster, und wenn ich rufe, erschrecken sie, und sie sind verschwunden.
    Der Heizungskeller dagegen ist ein menschenverlassener Ort, auch ich sage dort kein Wort, gehe in den Keller, wenn ich erschöpft bin, wenn ich es müde bin, zu sprechen, höre das Feuer in den Öfen und das Summen des Wassers in den Kesseln und Rohren. Selbst wenn es mir schwerfällt, zu schweigen, warte ich, bis ich wieder oben in der Halle bin. Ich habe als Kind mit mir selbst gesprochen, aber das heißt nicht, dass ich verrückt bin. Die Sätze bohren sich in den Kopf, ein Satz nach dem anderen, und ich laufe durch den schmalen, niedrigen Gang, die Treppen hinauf in die Schwimmhalle, und bevor ich sie betrete, wische ich mir die Schuhe mit einem Lappen ab.

    Es ist der sechste Tag, den ich hier verbringe, ohne das Gebäude ein einziges Mal verlassen zu haben. Zum dritten Mal ist ein Stück Putz aus der Wand gebrochen.
    Vorhin habe ich die beiden Öfen gefüllt. Der Kohlevorrat nähert sich dem Ende. Dann bin ich hinauf in die Halle und auf die Galerie gegangen, um aus dem Fenster zu schauen.
    Ich weiß nicht genau, ob noch Januar oder schon Februar ist. Die Uhr ist stehen geblieben. Einen Tag nachdem der zweite Placken Putz aus der Wand gebrochen ist, eine tiefe Schrunde, die rostiges Gestänge freilegt, ist die Uhr stehen geblieben. Hören Sie? Die Zeit geht nicht mehr, die Bewegungen haben keine Richtung, auch wenn ich darauf achte, das Schwimmbecken immer im gleichen Sinn, nämlich im Uhrzeigersinn zu umkreisen. Das Rufen fehlt, das Wasserspritzen, Gekreisch der Kinder, nur die Sätze sind noch da, als wären sie auf die Schilder und Warntafeln geschrieben. Es ist sehr still.
    Am Ende bleibt für den Verfall nichts übrig.
    Die Kachel habe ich wieder an ihren Platz gelegt, und ich weiß, dass sie lose ist. Für die Fische habe ich Futter gekauft, und aus der Wohnung meiner Mutter habe ich ein Staubtuch und einen Lappen hierhergebracht, um die Globen abzuwischen. Während der ersten Wochen habe ich im Werkzeugraum unter dem Tisch Lebensmittel aufbewahrt; Obstkonserven stehen dort und mehrere Packungen mit Knäckebrot. Bald werde ich alles verbraucht haben. Anfangs habe ich mir mit dem Wasserkocher Tee gekocht. Wenn das Fischfutter zu Ende geht, dann werden die Welse sterben. Noch schwimmen sie auf und ab, so wie ich in der Halle um das Becken gehe, doch werden ihre Bewegungen langsamer, und auch ich bin müde.

    Der Geruch wird wieder stärker.
    Der Gestank im Keller. Die toten Fische. Die Welse. Klaus hat aus dem Schwimmbecken Wasser für die Welse geschöpft, bevor es abgelassen wurde. Wenn kein anderer mehr in dem Wasser schwimmen wird, dann wenigstens die Fische, hat er gesagt, hat einen Eimer mit Wasser gefüllt und ihn ins Aquarium geleert. Aber ich musste das Wasser austauschen. Vom Schwimmbadwasser ist nichts mehr übrig.
    Der Geruch bleibt, er wird stärker; der Geruch jeder Bewegung, jedes Grinsens, jeder Niedertracht, einer ganzen Nacht, einer zufälligen Berührung, der Geruch von Tod, nichts als versäumtes Leben, ein kleinlicher Verlust: aller

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