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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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dazu, noch einen draufzusetzen. »Ich werde darauf achten.«
    Er sah mich aus ganz schmalen Augen an. »Kannst du gar nicht, weil die anderen sowieso tun, was sie tun wollen. Ich gucke doch Fernsehen, ich weiß doch, was läuft. Das ist doch immer so hier in der Eifel. Irgendwas passiert, und irgendwer schreibt drüber, oder sie kommen mit Fernsehkameras. Und was rauskommt, ist auch immer dasselbe. Da hat neulich einer seine Familie umgebracht, Frau und zwei Kinder. Der Mann ist durchgedreht, der war doch krank, der gehörte ganz schnell zum Arzt. Und sie haben geschrieben und gefilmt, dass der Mann ein Schwein ist. Ich kannte den. Also nicht gut, aber ich wusste, der war kein Schwein. So was ist schlecht.«
    »Das ist richtig«, sagte Rodenstock. Wir sahen nur seinen Kopf und die Schultern. »Mach dir das doch einfach, Klas. Du gehst runter aufs Amt und meldest das hier. Dann werden wir sehen, was passiert, und wir werden mit den Leuten reden.«
    Klas überlegte eine Weile. »Das will ich auch nicht. Ihr seid ja soweit in Ordnung, ich will euch nicht verpfeifen.«
    »Das ist schon in Ordnung«, sagte Rodenstock. »Übrigens, ich habe Tutut, ich meine, ich habe seinen Schädel.«
    Damit war die Zwickmühle um Klasens Solidarität zunächst erledigt. Wir traten an die Grube, und Rodenstock deutete nach unten. Der Schädel war nur im Gesichtsbereich frei von Erde.
    »Ich muss jetzt vorsichtig sein«, murmelte Rodenstock. »Er sieht wie alle aus, er grinst.«
    »Ich kann dich ablösen«, sagte ich.
    Klas murmelte: »So lange her, und jetzt soll er Antworten geben. Ich weiß nicht, ob unser Herrgott das will.«
    »Hast du das Schweizer Armeemesser?«, fragte Rodenstock.
    »Habe ich.«
    »Dann mach es vorsichtig«, sagte er. »Kein Kratzer an den Knochen.« Er kletterte aus der Grube, und ich ließ mich hinab.
    Dann kam Emmas Volvo in unser Blickfeld. Sie ließ die Scheinwerfer ein paarmal aufblinken.
    »Tessa müssen wir wohl fesseln und an einen Baum binden«, sagte Rodenstock in stiller Heiterkeit. »Ingbert wird sagen: Fulminant, fulminant.«
    Sie kamen heran, Emma energisch, Esther gut gelaunt und ein wenig tänzelnd, Tessa vollkommen durchgedreht in haushohem Stress stolpernd und mit hektischen Bewegungen, Ingbert sanft und gemächlich.
    Tessa starrte zu mir in die Grube und bekam ein kantiges Gesicht. Dann hob sie sich auf ihre Zehen.
    »Nicht springen!«, schrie ich. »Bist du verrückt?«
    Ingbert stand ganz versunken und hauchte: »Fulminant, wirklich fulminant.«
    Emma murmelte: »Sieh da, guten Tag, Tutut.«
    Esther schwieg, wandte sich zu Klas und sagte hell: »Ich bin die Esther, ich gehöre zu diesem Verein hier.«
    »Ich bin der Klas«, sagte Klas ein wenig verlegen. »Ich hab eigentlich nichts damit zu tun. Ich passe hier nur auf.«
    »Wir wohnen im Hotel«, sagte Ingbert trocken. »Seit gestern Abend.«
    Tessas Stimme war wie zerbrechendes Glas. »Mein Vater ist ein Arsch!«
    »Die Leute würden sagen: Hier herrscht Zoff!«, erklärte Ingbert. Dann griff er nach Tessas Hand.
    »Das regelt sich«, Emma zündete sich einen ihrer stinkenden Zigarillos an. »So was regelt sich immer. Also, ich erkläre euch mal, was bis jetzt passiert ist. Tessa, du hattest recht. Es ist ein Thema, es ist ein Mord oder Totschlag, und es wird zu schreiben geben. Aber ob es im wissenschaftlichen Sinn eine Doktorarbeit sein kann, muss du mit deinem Doktorvater abklären.«
    »Nicht Vater«, sagte sie und starrte immer noch auf Tututs Schädel. »Mein Doktorvater ist eine Professorin. Doktormutter.«
    Rodenstock sagte freundlich: »Ich habe mir ausgedacht, dass du Emma und Baumeister und mich als Team beschreiben könntest. Dann kann es streng genommen eine Doktorarbeit werden.«
    »Ich lass das sein«, hauchte Tessa. »Ich mach das nicht. Ich will nur noch weg von hier.«
    »Das legt sich«, sagte Esther.
    »Das geht vorbei«, kommentierte Emma.
    Eine Weile herrschte Schweigen, bis Emma wütend genug war. »Verdammte Hacke, du musst es deinem blöden Vater und der Stadt zeigen. Setz dich auf deinen Arsch und arbeite, Doktor Tessa!« Sie ließ die Hände wirbeln. »Also, hocken wir uns hin und bereden, was wir wissen.«
    Klas murmelte: »Ich fahr dann mal.«
    Ich verbrachte die nächste halbe Stunde damit, Tututs Schädel freizulegen, und weil ich ein romantischer Idiot bin, ertappte ich mich bei Sätzen wie diesen: Ich tu dir auch nicht weh! Hoffentlich hast du nicht allzusehr leiden müssen! Warum hat dir keiner geholfen? Sie

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