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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Herzlichen Dank.«
    Ich konnte nicht duschen, weil Emma und Rodenstock das Badezimmer im Erdgeschoss belegt hatten und Esther unter der Dusche im ersten Stock irgendein israelisches Lied grölte, was sich ziemlich unzüchtig anhörte. Aber ich spreche nicht hebräisch.
    Es war wie immer: Ich freute mich von Herzen über alle meine Freunde in meinem großen, schönen Haus. Aber zuweilen war es verdammt gut, eine Lokusschüssel für sich allein zu haben. Und ich konnte schlecht in meinen Gartenteich pinkeln, möglicherweise würde das zum Tod fernöstlicher, bunter Karpfen führen. Ich hockte mich also in meinen Garten und sah meiner Kröte zu, die sich an den im Wasser liegenden Baumstamm herangepirscht hatte und von Zeit zu Zeit träge, aber immer erfolgreich, nach Eintagsfliegen schnappte.
    Emma kam mit einem Tablett heraus und sagte: »Es gibt ordinäre Kirmesbratwürste mit viel scharfem Ketchup.«
    »Und Fritten?«
    »Keine Fritten. Du hast schon eine Wampe, du solltest bescheidener speisen.«
    »Du bist so zartfühlend.«
    »Zartfühlende Weiber sind out. Tee oder Kaffee oder sonstwas?«
    »Tee wäre gut. Und vielleicht ein Bett.«
    »Du kriegst beides.«
    Es war immer noch sehr warm, von Westen her kam ein sanfter Wind und bewegte den Wilden Reis im Teich. Wir aßen schweigend, wir waren viel zu müde, uns irgendwelche Wortgefechte zu liefern oder tiefsinnige Überlegungen anzustellen, weshalb Tutut wohl erschlagen worden war. Dann stellte ich mich unter die Dusche und ging sofort ins Bett. Nur Rodenstock und Emma hockten draußen im Garten zusammen und sprachen leise miteinander. Es war ein Bild des Friedens.
    Als gegen zehn Uhr die Nacht hereinfiel, war es totenstill im Haus. Irgendwo schrie ein Bussard, irgendwo bellte ein Hund. Ich war müde und zufrieden und las noch ein paar Seiten, wie ich es jeden Abend tue, klappte das Buch zu und schlief augenblicklich ein. Ich träumte irgendetwas mit einem Bär in einem sehr dichten Wald. Aber der Bär war höchst friedlich, griff mich nicht an, sondern tänzelte grotesk albern vor mir her, verbarg sich hinter dicken Baumstämmen und wedelte mir dann mit einer Tatze freundlich zu. Dann hielt er plötzlich ein Plakat hoch, auf dem zu lesen stand: »Nix Schießen'.« Und weil ich lachen musste, wurde ich wach. Wer träumt schon in Comics? Es war sechs Uhr, draußen schien die Sonne, neben mir räkelte sich Esther. Ich hatte sie nicht einmal kommen hören. Sie wirkte wie ein schutzloses Kind, und deshalb beschloss ich, kein Wort darüber zu verlieren.
    Ich rasierte mich nicht, putzte mir nicht die Zähne, warf keinen Blick auf meine Schönheit im Spiegel, zog nur Jeans an und ein T-Shirt und setzte mich an den Teich. Die Holztaube kam. Sie kam die Straße zwischen Lattens und der Kirche hoch, und sie schlug die Flügel nicht, sondern glitt in einem Aufwind heran. Sie schoss über den Efeu an der Hecke und zwischen den Fliederbäumchen hindurch. Sie schwang sich nur zwei Meter entfernt an mir vorbei, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mich nicht sah. Sie landete am jenseitigen Ufer und benutzte den flachen Stein, den ich dort hingelegt hatte. Dann badete sie geräuschvoll und mit offensichtlichem Genuss. Dann wanderte sie kopfruckend ein paarmal hin und her, badete wieder, trank in kleinen Schlucken. In ihren Grau- und Blautönen sah sie prächtig aus. Vielleicht machte sie sich für ihren Lover schön. Sie betrachtete mich nachdenklich und startete dann gemächlich, um denselben Weg zurückzunehmen. Ich war zufrieden, jetzt auch für die Taubenhygiene zuständig zu sein.
    Rodenstock kam mit zwei Bechern und einer Kanne Kaffee.
    »Guten Morgen, junger Herr. Soll das jetzt so bleiben, dass die Esther bei dir schläft?«
    »Sie schlief dort, aber es war nichts. Höre ich da die Trompeten der Eifersucht?«
    »Nicht doch«, grinste er. »Ich habe so selten mit dir geschlafen. Aber ich würde sagen, sie ist ein Problem, weil sie eine endlose Latte von Problemen mit sich herumträgt. Und das wünsche ich dir nicht.«
    »Das ist richtig, und das weiß ich. Lass es gut ein, Rodenstock, sie wird kein Abenteuer.«
    »Da bin ich erleichtert.«
    »Der Vater von Tessa ist auf dem Anrufbeantworter. Er möchte mit uns reden. Tun wir das?«
    »Aber ja«, sagte er. »Und wie verfahren wir weiter?«
    »Wir müssen warten, was die im Archiv haben. Viel wird es nicht sein. Das Meiste wurde beim großen Bombenangriff am Heiligen Abend 1944 zerstört. Dann wurde ein anderer Teil mit

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