Der Bär
Mosel, er hieß Mertes Willem.«
»Ein totes Pferd wiegt schwer. Wie haben die es hier auf diesen Platz gekriegt?«, fragte Rodenstock.
»Mit dem Karren vom Tutut sagen die Leute.«
»Aber wer hat das gemacht? Du brauchst mindestens vier Männer, du brauchst mindestens sechs Männer. Und die Grube muss riesig sein, sonst geht das Pferd nicht rein. Die müssen wie die Idioten gebuddelt haben. Und wer hat das alles geleitet? Da muss einer gut nachgedacht haben. Und ich denke, das kann nicht der Mann gewesen sein, der Tutut erschlug. Also, wer hat das Riesenloch gebuddelt, wer hat das Pferd hier hochgekarrt? Gibt es da Erinnerungen?«
»Wir wissen nur ... nä halt, wir wissen es nicht genau.« Er blies vor Verzweiflung die Backen auf. »Also, es muss so gewesen sein, dass da eine große Aufregung war. Jedenfalls riss der Bär sich los. Mein Vater hat gesagt, der Bär wollte diesen Zigeuner schützen. Das könnte man ja verstehen. Der Bär hat dann das Pferd gerissen. Für einen Bären ist das bestimmt eine Kleinigkeit. Dann ist das Tier weggelaufen. Mein Vater hat gesagt, dass die erst am Morgen diese Beerdigung hier erledigt haben. Also, die beiden Gendarmen, die preußische Beamte waren, die haben das alles gemacht. Und geholfen haben Leute aus Rockeskyll. Sechs Tagelöhner, hat man damals gesagt. Die sind gut bezahlt worden, die haben nie was drüber geredet, weil die anschließend dauernd Arbeit hatten. Gartenarbeit und solche Dinge hier bei den hohen Herren.«
»Das ist genau der Punkt«, sagte ich. »Von Anfang an hat niemand ein Interesse gehabt, diesen Mord aufzuklären. Wirklich niemand. Es existiert keine einzige Akte darüber. Das kann nur heißen, dass die hohen Herren in Gerolstein unter allen Umständen den Täter schützen wollten. Aber warum?«
»Weil er einer von ihnen war«, sagte Rodenstock. »Nur darum, das reicht. Vielleicht war er sogar besonders beliebt. Vielleicht war es kein Mord. Vielleicht Totschlag im Affekt, ein großer Erregungszustand. Und Tutut war ein Heimatloser, ein Streuner, und er war nicht wichtig. Klas, was ist gesagt worden, wer hat das getan?«
»Also, eigentlich sind alle durchgesprochen worden. Der Apotheker, der Steuereintreiber, der Richter, der Arzt, der Schulleiter, ein paar andere, die viel Geld verdienten damals. Über Castendyck, das ist der Gründer vom Sprudel, haben sie sogar auch geredet. Aber der war ja wohl ein ganz feiner Herr und hatte kein Interesse an so was.« Er warf die Arme in komischer Verzweiflung hoch. »Wirklich gewusst hat keiner was, sage ich euch. Aber dass ihr das jetzt ausgrabt!«
»Du irrst an einem Punkt, Baumeister«, murmelte Rodenstock. »Es ist falsch zu behaupten, dass niemand den Mord aufklären wollte. Ausschließlich die hohen Herren der Stadt wollten das nicht. Und das muss einen Grund haben. Und den suchen wir.« Dann stand er auf, trat an den Rand der Grube und murmelte: »Ich will seinen Schädel finden.« Dann ließ er sich hinunter.
»Tja«, Klas kratzte sich an der Nase. »Da bin ich wirklich gespannt. Also, ich weiß ja nicht viel, aber ich glaube nicht, dass ihr das rausfindet. Nach so langer Zeit.« Er stand auf, klopfte sich den Staub vom Hintern. »Dann will ich mal wieder. Und noch was: Macht mir bloß die Grube wieder zu. So kann man das nicht lassen.« Dann spürte er unvermittelt Schwierigkeiten auf sich zukommen. Er sagte: »Ihr seid ja ehrlich, und dein Freund da unten ist ja wohl mal Beamter gewesen, aber das hier ist Naturschutzgebiet, damit die blöden Touristen nichts ausreißen, keinen Fingerhut und keinen Frauenschuh, und damit sie ihre verdammten Coladosen wieder im Auto mitnehmen. So ein Loch geht da nicht, und ich muss das melden.« Er ließ sich auf einem gefällten Kiefernstamm nieder, holte Tabak aus der Tasche und drehte sich eine Zigarette. »Es ist nämlich so. Hier wird geredet, hier wird immer geredet. Und sie suchen immer einen, der schuld ist. Egal an was. Und da ist jetzt diese Frau, die dadrüber schreiben will. Und ihr habt hier das Loch gemacht. Das kann ins Auge gehen, das kennt man doch. Dann schreibt der Trierische Volksfreund: Mord in Gerolstein, aber nicht, dass das so lange her ist. Journalisten, phhh, du bist doch auch einer, oder?«
»Ich bin auch einer, und ich sage dir, die Kolleginnen und Kollegen schreiben keinen Blödsinn. Das ist einfach eine spannende Geschichte, und niemand wird lügen.« Das klang hohl, das war hohl, ich kam mir hilflos vor. Aber irgendetwas zwang mich
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