Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
Fähigkeit, die Schmerzen der Drachen zu lindern. Sie betete nur darum, dass Rion eine Möglichkeit gefunden hatte, wie sie zur gleichen Zeit eine Botschaft aussenden konnte.
Sie waren schon so weit gekommen. Sie durfte ihn jetzt nicht noch enttäuschen. Aber sie würde ihn auch nicht enttäuschen.
Rion ergriff ihre Hand. Falls er spürte, wie sehr sie zitterte, so erwähnte er es nicht. »Los, komm.«
28
Derjenige, der deiner Tränen wert ist,
wird dich nicht zum Weinen bringen. Hohepriesterin von Avalon
»Wir müssen uns verstecken.« Cavus Prime und die Unari hatten ihm sein Erbe streitig gemacht, doch nun suchte er in den Gängen, in denen er vor so langer Zeit als Kind herumgetollt war, nach strategischen Vorteilen. »Hier haben Erik und ich oft Verstecken gespielt.«
Der Palast von Chivalri war gewaltig. Er war das größte Gebäude der Hauptstadt gewesen und umfasste zehn Häuserblocks. Wenn sie sich den Weg durch Dutzende von Korridoren freikämpfen mussten, würden sie nicht nur jedes Überraschungsmoment verlieren, sondern die Unari würden ihnen sicher auch bald eine Falle stellen.
Die Unari hatten aus dem königlichen Zuhause alle handgearbeiteten Möbel, alle kostbaren Kunstwerke der vergangenen Jahrhunderte sowie die Kerzenhalter und Wandleuchter aus purem Gold entfernt. Die gewaltige Versammlungshalle wirkte nun so kahl, dass man sie für die Kampfausbildung hätte benutzen können.
»Wohin jetzt?«, fragte Marisa, als sie an einer Kreuzung zweier Korridore stehen blieb.
Rion zog sie nach rechts. »In meiner Vision hatten sie den Tyrannisierer in einem achteckigen Raum untergebracht.«
»Gibt es denn irgendwelche Geheimgänge im Palast?«, wollte Marisa wissen.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, etwas so Nützliches gibt es hier wohl nicht.«
»Auch keine Waffenverstecke?«
»Wir waren ein friedliebendes Volk. Seit unserem Friedensvertrag mit Tor – vor mehreren Jahrhunderten – haben wir weder eine Armee noch Waffen gebraucht. Wir hatten die Gewalt hinter uns gelassen; zumindest hatten wir das geglaubt.« Der Schaden, der hier angerichtet worden war, schien nicht nur körperlicher Art zu sein. Das gesamte Glaubenssystem von Rions Volk war zerstört worden. Die Unari hatten einfach alles vernichtet.
Außer ihrem Geist.
Sein Volk lebte aber noch und ertrug schreckliche Schmerzen und eine grauenhafte Sklaverei. Mutige Rebellen riskierten ihr Leben im Kampf gegen einen übermächtigen Gegner.
Rion bog in einen Gang ein, an dem sich etliche geschlossene Türen befanden, hinter denen früher einmal die Verwaltungsbüros gelegen hatten. »Wir müssen vor allem den Tyrannisierer finden und ihn ausschalten.«
Und dann würde er so gern auch seinen Vater finden. Er hatte es nicht gewagt, diesen Wunsch laut auszusprechen. Während er betete, sein Vater möge noch leben, befürchtete er, dass er durch die schreckliche Folter verwundet, gebrochen und möglicherweise verrückt geworden war.
»Rion, hattest du Schmerzen, nachdem du den Schweber verlassen und dich verwandelt hast?«, fragte Marisa.
»Zuerst noch nicht – dein mächtiger Kuss auf dem Weg hierher hat eine Weile vorgehalten.«
»Aber später haben die Schmerzen dann eingesetzt?«, bedrängte sie ihn.
»Ja.« Er war sich nicht sicher, wie sie die Schmerzen beim zweiten Mal unterdrückt hatte, aber er war ihr sehr dankbar dafür. »Und dann hast du dafür gesorgt, dass sie erneut verschwunden sind.«
Sie wich seinem Blick aus. »Es ist dir hoffentlich klar, dass ich Gefühle und Botschaften noch immer nicht gleichzeitig aussenden kann?«
»Alles der Reihe nach. Zuerst müssen wir den Tyrannisierer finden.« Er wollte sich persönlich ein Bild von der Lage machen. Unbedingt erforderlich war zunächst, dass sie jenen achteckigen Raum fanden, bevor die Unari-Verstärkung eintraf.
Sie eilten einen langen Korridor entlang, an dem viele Büros lagen. »Bist du dir überhaupt sicher, dass sich der achteckige Raum auch wirklich in diesem Palast hier befindet?«, fragte sie.
»Nicht ganz sicher. Aber die Unari haben zuerst Chivalri überfallen. Vielleicht haben sie mein Land ja deshalb ausgesucht, weil wir die Stärksten waren. Oder sie brauchten dieses Land, weil es groß und einigermaßen flach ist. Auch das Wetter ist hier meistens gut – und der Kontinent stabil, die Felsen reichen tief und können daher hohe Mauern tragen. Seit sie hergekommen sind und diesen Palast als ihr Hauptquartier benutzen, bin ich überzeugt davon, dass
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