Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
identifizieren konnte. Trotz ihrer Angst interessierten sie gar nicht so sehr die Waren, sondern am meisten die fremdartigen Verkäufer.
Während alle humanoid waren und zwei Arme sowie zwei Beine hatten, besaßen einige doch ein zusätzliches Auge mitten auf der Stirn. Sie sah Männer, die klein und schlank waren – vollkommen geformt und wunderschön. Und Frauen mit Locken, so lang, dass sie in kleinen Karren hinter ihnen hergezogen werden mussten.
»Wie viele Rassen leben hier?«, fragte sie.
»Tor hat den Handel schon immer gefördert. Die Steuern auf Ein- und Ausfuhren sind niedrig. Täglich passieren Hunderte verschiedener Rassen dieses Handelszentrum.«
Hunderte? Es hatte den Anschein, dass die Galaxie nur so vor Leben brodelte – das war nicht überraschend, wenn man an die Milliarden von Sternen dachte. Dennoch verblüffte sie der Anblick. Wenn sie nicht auf der Flucht gewesen wäre, hätte sie sich nach einer Kamera gesehnt.
Rion führte sie in einen Laden, der etwas stabiler als der Rest erschien. Das Außenfenster war mit schönen Abbildungen von Humanoiden bemalt, doch die holografischen Bilder verwandelten sich unablässig und zeigten eine Vielzahl von Gesichtszügen, Knochenstrukturen und sogar Augenfarben.
»Wir haben nur für eine schnelle und oberflächliche Veränderung Zeit«, sagte Rion zu ihr.
»Gott sei Dank.« Schließlich wollte sie sich später noch im Spiegel wiedererkennen können.
»Dies hier ist die Seite für die Frauen.« Rion deutete auf einen Torbogen an der linken Seite. »Bestell dir neue Kleidung und dazu auch gleich eine neue Haut- und Haarfarbe.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Fünf Minuten. Wir treffen uns hier draußen wieder.«
Marisa ging durch die Tür, auf die er gezeigt hatte. Sie hielt einen Moment lang inne und fragte sich, ob sie diese Gelegenheit zur Flucht nutzen sollte. Aber wohin wollte sie denn gehen, da doch die Vollstrecker hinter ihr her waren? Sie wusste nicht einmal, ob sie den Weg zurück zum Transporter finden würde. Wenn sie die Krediteinheiten für ihre Verkleidung aufgebraucht hatte, besaß sie kein Geld mehr. Sie war ja schon einmal vor Rion davongelaufen – geradewegs in die Arme der Vollstrecker.
Bevor sie etwas tat, das sie wieder einmal in Lebensgefahr bringen mochte, musste sie mehr über diese Welt in Erfahrung bringen. Deswegen würde sie erst einmal bei Rion bleiben.
Marisa erwartete, im Laden von jemandem begrüßt zu werden. Doch als sie durch die Tür trat, erhielt sie von einer mechanischen Stimme Anweisungen. »Bitte folgen Sie dem orangefarbenen Licht.«
Marisa versuchte gleichmäßig zu atmen und folgte der orangefarbenen Leuchtröhre im Boden zu einem Raum mit einem Zuber darin. Die automatischen Anweisungen wurden fortgesetzt. »Legen Sie alle Kleidung und Schmuckstücke ab, bevor Sie in den Zuber steigen.«
Sie gehorchte und fühlte sich äußerst verwundbar, als sie nackt in dem Zuber stand. Was nun? Sollte sie stehen, sitzen oder sich legen?
»Wählen Sie Ihre Präferenzen.«
Im Zuber öffnete sich ein Paneel, dann stellte sich ein Bildschirm auf. Marisa wählte eine silberne Haut mit leichter Blautönung und glänzendes silbernes Haar. Außerdem erhielt sie eine Auswahl an Kleidern, die eher für einen Ball als für eine Flucht geeignet waren. Aber es war ihr Ziel, unter der einheimischen Bevölkerung nicht aufzufallen. So wählte sie am Ende ein Mini-Kleid mit Nackenträger und Riemchensandalen und kam zu der Einsicht, dass Manolo Blahnik offensichtlich auch ein Außerirdischer war.
»Bitte führen Sie fünf Krediteinheiten ein.«
Sie schob die Chips in einen blinkenden Schlitz. Marisa hatte keine Ahnung, was nun geschehen würde. Sie hätte Rion danach fragen sollen. Als silberne Flocken aus der Decke herabfielen und sie umwirbelten, bevor sie an der Haut festklebten, streckte sie die Arme aus und beobachtete verblüfft diesen Vorgang. Die Farbe ihrer Haut wurde zu einem silbrigen Blau; die Flocken trockneten bei der Berührung sofort. Weitere Flocken verfingen sich daraufhin in ihren Haaren und ließen es silbern werden.
Grandios! Zu Hause könnte sie mit einer solchen Maschine ein ganzes Vermögen machen. Das wäre dann das Ende aller Vorurteile. Wenn jeder Hautfarbe und Gesichtszüge verändern könnte, würde es keine ethnischen Unterschiede mehr geben, die rein auf dem Aussehen basierten. Diese Maschine allein hätte Kriege verhindern und Millionen von Leben retten können. Als die Flocken nicht
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