Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
sich an Rion festhalten musste. »Ich dachte schon, ich müsse sterben. Schon wieder.«
Er nahm sie in die Arme und drückte sie an seine Brust. »Es tut mir leid. Aber ich hatte keine Zeit, es dir zu erklären.«
Ihre Zähne klapperten. Dass es ihm leidtat, reichte ihr aber nicht. Der Vollstrecker hätte sie beinahe hingerichtet. Während des Sturzes hätte sie vor Angst sterben können. Aber sie schluckte ihre Beschwerden herunter. Rions Wärme wirkte beruhigend auf sie. Seine Stärke wirkte wie ein Anker des Vertrauten in dieser seltsamen neuen Welt. Sie atmete seinen Duft ein, schloss die Augen und sagte sich, dass sie schon oft in Schwierigkeiten gesteckt hatte. Es war aber nichts dagegen einzuwenden, wenn sie sich an Rion festhielt, solange das ihre Welt wieder zurechtrückte.
Er murmelte besänftigend: »Halt noch eine Weile durch, bis wir ein Versteck gefunden haben.«
»Gut.« Das Zittern ließ allmählich nach und sie machte sich von ihm los. Es war zwar in Ordnung, bei ihm Trost zu suchen, aber sie konnte nicht vergessen, dass er sie in diesen Schlamassel gebracht hatte.
Halb führte er sie, halb trug er sie hinter einem langsam dahinrollenden automatischen Karren her, der pfeifend auf Metallrädern dahinrumpelte. Nachdem er sie auf den Sitz des Karrens gehievt hatte, kletterte er neben sie. »Hier können wir uns eine Weile ausruhen. Aber nicht lange. Früher oder später werden sie herausfinden, dass wir die Ebenen gewechselt haben und aus dem Rasternetz herausgefallen sind.«
Sie rieb sich die Schläfen und versuchte, ihn zu verstehen. »Wovon sprichst du?«
»Arbeitet dein Übersetzer nicht?«
Sie bemühte sich, ihre Wut und Angst im Zaum zu halten und sagte sich, dass es ja gar nichts brachte, wenn sie ihn nun anschrie. »Ich verstehe … zwar deine Worte, aber nicht deren Bedeutung.«
Rion nickte und legte ihr den Arm um die Schultern. Ihre Hüften und Schenkel berührten sich. »Du leidest an einer Art Kulturschock und dem sogenannten Sprung-Lag – das ist so etwas wie ein Jet-Lag, nur wesentlich schlimmer. Die Vollstrecker werden zuerst die gesamte obere Ebene abklappern, bevor sie uns hier unten suchen. Aber da sich unsere Fahndungsbilder auf ihren Monitoren befinden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie uns finden.«
»Wie lange wird es dauern?«
»Vielleicht zehn Minuten.«
»Und wie lange brauchen wir bis zu Phen?«
»Eine Stunde.«
»Dann benötigen wir eine Verkleidung.«
»Guter Gedanke. Wie wäre es mit blauer Haut und silbernen Haaren?«
Sie blinzelte und erinnerte sich an die Leute mit blauer und grüner Haut, die sie hier gesehen hatte. »Kannst du meine Hautfarbe verändern?«
Er zwinkerte ihr zu. »Wir können dich sogar von Kopf bis Fuß verändern. Aber das ist teuer, und du hast keine Krediteinheiten.« Er nahm den Rucksack ab, holte zwei Hüte daraus hervor, gab ihr den einen und setzte den anderen selbst auf. »Aber ich habe einige Sachen zum Tauschen mitgebracht, falls du noch ein paar Schritte laufen kannst.«
Marisa zwang sich, ihre Angst zu bekämpfen. Sie dachte an die Sicherheit, die eine Verkleidung möglicherweise bieten konnte. Dann holte sie tief Luft, steckte ihre Haare hoch und setzte den Hut auf. »Ich bin bereit.«
Natürlich war sie es nicht. Jeden Augenblick erwartete sie, dass sich ein Sucher an sie heftete. Oder dass die Vollstrecker zu ihnen heruntersprangen und sie einkreisten. Doch das Adrenalin hielt sie auf den Beinen und ließ sie vorsichtig werden.
Wenige Minuten später führte Rion sie in einen Verkaufsstand, in dem sich eine Maschine befand, die wie ein von vier Seiten bedienbarer Geldautomat aussah. Nachdem Rion einen Reißverschluss an seinem Rucksack geöffnet hatte, holte er fünf Krügerrand heraus und schob das Gold in einen Schlitz. Der Schlitz fraß die Münzen – und dann kamen Kreditchips heraus.
Er gab ihr etwa die Hälfte der Chips und nahm den Rest an sich. »Gold ist hier noch mehr wert als auf der Erde. Natürlich werden die Vollstrecker, sobald sie es untersucht haben, bemerken, dass es aus einer anderen Welt stammt. Sie werden versuchen, uns hier zu finden. Aber dann sind wir schon wieder fort.«
Der Gedanke, dass die Vollstrecker sie erwischen konnten, machte sie etwas kribbelig. Sie wollte sofort aufbrechen.
Er führte sie durch ein Labyrinth aus Buden, die sie an einen Flohmarkt erinnerten und in denen Teppiche, Maschinen, Kleidung und Dutzende verschiedener Sachen verkauft wurden, die sie nicht
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