Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
»Da wir jetzt wissen, dass es möglich ist, hast du uns Hoffnung geschenkt.«
»Wenn du meinst …«
»Wir werden herausfinden, was geschehen ist, und dann können wir es wiederholen und zur Rettung meines Volkes einsetzen.«
Langsam hörten ihre Glieder auf zu zittern. Sie betete darum, dass niemand sie mehr darum bitten würde, sich erneut zu verwandeln. Nicht heute Nacht jedenfalls. Vorläufig konnte sie keine weiteren Schmerzen mehr ertragen.
Rion führte sie zu einem Sofa, sie setzte sich. »Vielleicht stellen wir bloß nicht die richtigen Fragen.«
»Was meint Ihr damit?«, fragte Lex Rion und zog sich einen Stuhl herbei. Viele der Kinderschwestern kümmerten sich jetzt wieder um die Babys, andere waren zu Bett gegangen. Am Ende blieben nur Lex, Darian und Rion übrig.
Rion massierte Marisas Schultern und Nacken. »Auf der Erde war Marisa in menschlicher Gestalt gewesen, als sie unbewusst eine Botschaft an erwachsene Drachenwandler ausgesendet und diese dadurch aufgeregt hat.« Er warf ihr einen entschuldigenden Blick zu. »Als sie aber diesmal wieder in Menschengestalt gesendet hat, hat sie die Babys glücklich gemacht und ihnen die Schmerzen genommen.«
»Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe.« Lex runzelte die Stirn. »Wenn du auf telepathischem Wege mit einer Gruppe kommunizierst, strahlst du zusammen mit der Botschaft also auch Gefühle ab?«
Sie nickte. »Diese Gefühle sende ich zwar unbewusst, aber so wie Worte aufgrund der Tonlage auch Gefühle übermitteln, werden meine telepathischen Botschaften ebenfalls von Gefühlen begleitet.«
»Und du stehst auch in telepathischer Verbindung mit Drachen in menschlicher Gestalt?«, fragte Lex.
»Ja, aber meine Gabe wirkt wesentlich stärker, wenn ich mich verwandelt habe.«
»Das ist es!« Rions Augen glühten vor Aufregung. »Wenn du menschlich bist, ist die Botschaft schwächer – aber die Gefühle sind stärker !«
Seine Erregung steckte Marisa an. »Und diese Gefühle stören die Macht des Tyrannisierers …«
20
Ein echter Vetter würde seine Hände in Blut waschen,
damit die deinen rein bleiben. anonymer Dichter
Rion begleitete Marisa zu ihren Gemächern; seine Hoffnung war so stark wie nie zuvor seit ihrer Ankunft. Er brannte geradezu darauf, den Sinn dessen zu begreifen, was Marisa vorhin getan hatte. »Marisa, du hast uns gesagt, dass du deine Gefühle nicht bewusst aussendest, wenn du deine telepathischen Botschaften verschickst.«
»Das stimmt.«
»Könntest du deine Gefühle aber auch absichtlich zusammen mit den Botschaften ausstrahlen?«, fragte Rion mit rasendem Puls.
Sie rieb sich die Schläfen. »Ich weiß nicht. Das einzige Mal, dass ich in Menschengestalt Telepathie eingesetzt habe, war bei meinem Bruder. Und er war im letzten Jahrzehnt kaum in meiner Nähe. Also bin ich ganz aus der Übung.« Sie seufzte. »Ich bin mir noch nicht sicher, ob deine Theorie zutrifft. Ich war glücklich, als ich den Babydrachen geholfen habe, aber am Ende haben meine Gefühle die Schmerzen doch nicht aufhalten können.«
»Vielleicht warst du zu lange in Drachengestalt, sodass die menschlichen Gefühle, die dich anfangs geschützt haben, verblasst sind. Und dann kamen die Schmerzen.«
»Vielleicht. Das würde auch erklären, warum ich bei meiner zweiten Verwandlung überhaupt keinen Schutz mehr hatte.« Sie seufzte erneut. »Aber selbst wenn ich es noch einmal versuche, werden die Erwachsenen das Glück und die Fröhlichkeit, die aus meiner Leidenschaft folgen, anders aufnehmen, als diese Babys das getan haben. Babys essen und spielen und fliegen. Erwachsene kämpfen.«
Rion war schon immer überzeugt gewesen, dass Marisa etwas ganz Besonderes war. Aber wer hätte geglaubt, dass die telepathische Aussendung ihrer menschlichen Gefühle der Schlüssel dazu war, die Drachen vor den Schmerzen des Tyrannisierers zu bewahren?
Ihre Gabe war ungeheuerlich. Natürlich war das bisher nicht mehr als eine Theorie. Sie musste noch auf die Probe gestellt werden.
In ihrem Zimmer in Winnhaven stieg Rion neben Marisa ins Bett, aber jetzt regte sie sich nicht. Sie lag nur ganz still da und schwieg.
Ihr Atmen verriet ihm jedoch, dass sie nicht schlief. Offensichtlich dachte sie über die Art und Weise nach, wie sie auf die kleinen Drachen gewirkt hatte. Inzwischen kannte er sie gut genug und wusste, dass sie die Dinge nicht immer genauso sah wie er.
Mit leiser Stimme fragte er wie beiläufig: »Was ist denn los?«
Sie antwortete langsam und
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