Der Bann (German Edition)
lange am Leben geblieben ist.»
Der Bell 206 JetRanger, ein schwarz-silbernes, brüllendes Monster von einem Helikopter, erschien über den Bäumen und kurvte herum zur Vorderseite der Farm. Das dumpfe Dröhnen der Turbinen und das
Wupp-Wupp-Wupp
der Rotorblätter wirkten seltsam deplatziert in dem ansonsten totenstillen Tal, geradezu obszön. Llyn Gwyr war von jetzt an ein Friedhof, und seine Toten erbaten sich Stille.
Der Helikopter umkreiste das Haus, verharrte schwebend auf der Stelle und sank dann tiefer. Die Schneeflocken am Boden verwandelten sich in einen weißen Malstrom. Sekunden nach der Landung sprangen drei Männer heraus. Alle trugen gutisolierte Winterkleidung. Dániel erkannte einen der Männer wieder. Er versteifte sich.
Benjámin Vass, pausbäckige rechte Hand des
Signeurs
, beugte sich in die Maschine und zog einen faltbaren Rollstuhl hervor. Seine beiden Begleiter halfen einem vierten Mann beim Aussteigen und hoben ihn in den Rollstuhl. Diesmal blies Dániel die Luft durch die Wangen.
Károly Gera.
Der Eleni-
Signeur
sah ungefähr so lebendig aus wie der Leichnam, den sie kurz zuvor begraben hatten. Die dickgepolsterte Jacke trug wenig dazu bei, Geras Gebrechlichkeit und Altersschwäche zu überdecken. Seine Augen jedoch hatten einen gefährlichen, fanatischen Glanz.
Pálinkás erschien neben Dániel. «Das sieht nicht gut aus.»
«Nein.»
«Möchtest du, dass ich Lorant rufe?»
«Es gibt nichts, was der
Presidente
von Budapest aus tun könnte.»
Pálinkás nickte. Sie beobachteten schweigend, wie sich die Männer der Farm näherten.
Benjámin Vass schob den Rollstuhl des
Signeurs
ins Esszimmer und parkte ihn vor dem Feuer. Als er sich zu Dániel umdrehte, lächelte er, das Gesicht glänzend vor Schweiß. Er klatschte, ein hartes, unerwartet lautes Geräusch, dann rieb er die Hände gegeneinander.
«Ein hübsches Haus. Obwohl, ein wenig abgelegen vielleicht. Und einfach. Aber ich könnte mich daran gewöhnen. Vielleicht. Was denkst du, Dániel?»
«Worüber?»
«Über das Farmhaus natürlich. Lass mich raten. Ein Ferienheim? Ein Investitionsobjekt? Oder ein Ort, zu dem du kommen kannst, wenn du mal weg möchtest von allem? Ich nehme an, das ist der Grund, warum du hier bist.»
«Ich bin sicher, Sie wissen, dass dies nicht der Grund ist.»
Vass ging zum Schrank, nahm ein Porzellanfigürchen und betrachtete es aufmerksam. «Ah. Ja, natürlich. Es gab Ärger, wie man sieht. Zwei frische Gräber am Seeufer. Vielleicht doch kein so hübscher Fleck, nicht wahr? Oh, meinetwegen. Ich habe ohnehin nicht vor, lange zu bleiben. Nur lange genug, damit du mir verraten kannst, wo ich Hannah Wilde finde und diesen übellaunigen alten Bastard Sebastien Lang.»
Dániel spürte Zorn in sich aufsteigen. «Sie vergessen sich, Benjámin, und Sie vergessen Ihre Position. Hier sind Menschen gestorben. Ich verspüre keinerlei Bedürfnis, mir Ihre Unverschämtheiten anzuhören.»
«Unverschämtheiten? Oh, Dániel, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich das trifft. Jeden Morgen wache ich auf und sage mir, dass ich mir den Respekt meines
Acadeim
verdienen muss, das Vertrauen des loyalen, unantastbaren Dániel Meyer. Und dann unterstellst du mir so etwas!»
Károly packte die Armlehnen seines Rollstuhls mit Klauenfingern. Seine Stimme war eine kratzende Peitsche. «Gott verdamme euch beide! Hört sofort auf damit!» Die Worte schienen ihn zu erschöpfen. Er sank in seinen Rollstuhl zurück. «Dániel, komm her. Setz dich hierher. Hör mich an. Wir wissen, was passiert ist. Den wichtigen Teil jedenfalls. Wir müssen wissen, wohin sie gegangen sind.»
«Das kann ich Ihnen nicht sagen,
Signeur
.»
«Die Frau und das kleine Mädchen schweben in großer Gefahr.»
«Das ist richtig.» Er warf einen Blick zu Vass, der ihnen den Rücken zugewandt hatte und aus dem Fenster starrte. «Ich versuche ja nur, die Gefahr nicht noch größer zu machen.»
«Deine Motive sind ehrbar, Dániel, aber du triffst nicht die richtigen Entscheidungen. Wir können sie beschützen.»
«Sebastien beschützt sie.»
Vass drehte sich zu Dániel um. «Ich weiß, dass in einem der beiden Gräber der Ehemann von Hannah Wilde liegt. Ich nehme an, im anderen liegt ihr Vater. Gestorben wie die Fliegen, nicht wahr? Wenn das die Art von Schutz ist, die Sebastien Lang ihnen gibt, dann tut sie mir ein klein wenig leid.»
«Benjámin, das ist genug!», bellte der
Signeur
. «Dániel, du bist kein Narr. Ich gestehe, wir haben eine
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