Der Bann (German Edition)
Aufrichtigkeit seiner Worte und das Mitgefühl, das sie vermittelten, nahmen ihrem Ärger über sein unerwünschtes Eindringen einen großen Teil seiner Energie. Dennoch beäugte sie ihn misstrauisch, während er ihre Hände losließ. «Was haben Sie hier zu suchen, Dániel?»
Meyer schürzte die Lippen und öffnete den Mund zu einer Antwort, doch bevor er ein Wort hervorbrachte, bellte Moses laut. Der Hund trottete zum Fenster und lief auf und ab. Gabriel neigte den Kopf.
«Was ist denn?»
In diesem Moment erklang in der Ferne ein rhythmisches Schlagen. Es wurde rasch lauter, drängender, bedrohlicher, bis Hannah bewusst wurde, dass sie einen Helikopter hörte.
Mein Gott, er ist schnell. Brutal schnell.
Draußen im Obsthain erhob sich ein Wirbelwind aus tanzendem Herbstlaub. Die Wucht der schlagenden Rotorblätter und der Bass der Hubschrauberturbine vibrierten in Hannahs Brust und ließen die Fenster in den Rahmen rattern. Zuerst kamen die Kufen des Helikopters in Sicht, dann landete die Maschine auf einem freien Stück Feld hinter den Obstbäumen. Sie war schwarz mit gelben Markierungen und erinnerte Hannah an eine fette, wütende Hummel mit einem Bauch voller Männer hinter den großen transparenten Scheiben. «Mehr von Ihren Leuten?», fragte sie an Meyer gewandt.
Der
Acadeim
nickte.
«Weniger subtil ging wohl nicht?»
«Ich fürchte, unser
Signeur
weiß gar nicht, was das Wort bedeutet.»
Sebastien deutete mit dem Daumen auf das Fenster. «Sie haben den
Signeur
hergebracht? Von allen Leuten ausgerechnet
ihn
?»
«Ich sagte bereits, ich hatte keine andere Wahl.» Meyer drehte sich zu Hannah um. Er spielte nervös an seinem Ehering. «Sebastien hat mir gesagt, wohin Sie gehen würden. Und das wussten sie. Ich weiß nicht, woher, aber sie wussten, dass ich es weiß. Sie sind verzweifelt. Sie würden alles tun, um die
hosszú életek
zu finden. Sie wissen, dass die Zeit knapp wird und Jakab wahrscheinlich ihre letzte Chance ist. Sie sind die beste Spur zu ihm. Es macht sie noch entschlossener. Rücksichtsloser. Ich möchte nicht, dass Ihnen etwas passiert, Hannah. Ich möchte, dass niemandem irgendetwas passiert. Bitte verhalten Sie sich einfach kooperativ, ja? Um unser aller willen. Umso schneller ist es vorbei.»
«Du hast mich verraten!», flüsterte Sebastien und machte einen Schritt auf den
Acadeim
zu.
Draußen wurde eine Tür des Helikopters geöffnet. Ein Mann sprang vom Sitz neben dem Piloten. Sein Gesicht war weich und aufgedunsen, und seine Augen unter schweren Lidern verliehen ihm ein träges, gelangweiltes Aussehen. Er trug Khakihosen, die zu kurz waren für seine Beine und deren Nähte an seinen Oberschenkeln spannten. Er zog einen Rollstuhl aus der Kabine und faltete ihn auseinander.
«Sebastien, ich habe vergessen, wie viele Jahre wir schon befreundet sind», sagte Meyer in diesem Moment. «Es gibt nur wenig, das ich nicht für dich tun würde, wenn es in meiner Macht stünde. Aber als ich versprach, dieses Geheimnis für mich zu behalten, da war keine Rede davon, dass ich notfalls mein Leben dafür riskieren soll. Es tut mir leid, wenn mich das in deinen Augen zu einem Judas macht. Aber ich war zu keinem Zeitpunkt bereit, um einen so hohen Einsatz zu spielen. Sieh mich an, Sebastien. Ich bin ein alter Mann. Ich habe eine Frau, und ich habe Enkelkinder. Mein Leben zu riskieren war niemals Teil unserer Übereinkunft.»
«Dein
Leben
?», schnaufte Sebastien. «Du warst immer weich, Dániel, aber so erbärmlich habe ich dich nie gesehen. Károly mag spucken und kratzen, aber ich bin sicher, was immer der
Signeur
gesagt oder getan hat, um dich so einzuschüchtern, es war nur ein Bluff. Seit wann ist das Konzil so zerstritten, dass es seine eigenen Leute bedroht?»
«Seit du weggegangen bist», antwortete Meyer. «Du würdest die Organisation wahrscheinlich nicht mehr wiedererkennen.»
«Selbst wenn du recht hast, Károly ist kaum in der Position, dein Leben zu bedrohen.»
«Károly nicht, das ist richtig», pflichtete Meyer ihm bei. Er nickte in Richtung des Mannes, der soeben aus dem Helikopter gestiegen war. «Aber er.»
Sebastien wandte sich wieder zum Fenster um und stieß einen Fluch aus, als er den Fremden in der Khakihose erblickte.
Hannah runzelte die Stirn. «Wer ist das?»
«Benjámin Vass», antwortete Sebastien. Zum ersten Mal bemerkte sie so etwas wie Beunruhigung in der Stimme des alten Mannes. Es erschreckte sie. «Er ist die rechte Hand des
Signeurs
.»
Die hintere
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