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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen L. Jones
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könnte.
    Hannah packte den Tresen und hielt sich daran fest, während sie versuchte, den Nebel aus ihrem Kopf zu vertreiben und sich zu konzentrieren. Sie hatte keine Zeit und musste eine schwerwiegende Entscheidung treffen. War es besser, Leah irgendwo zu verstecken, oder war es sicherer für ihre Tochter, wenn sie dicht bei ihr blieb? Wie hätte sie sich in Leahs Alter gefühlt, in dem Wissen, dass Gefahr nahte und dass von ihr verlangt wurde, allein damit fertig zu werden? Hannah wusste, dass die Antwort darauf ihre Entscheidung nicht beeinflussen durfte – doch es war nicht mal eine Woche her, dass ihre Tochter mit angesehen hatte, wie ihr Vater von einem Monster in der Maske ihres Großvaters erschossen worden war. «Leah, bleib dicht bei mir.» Hannah durchquerte den Flur und huschte ins Esszimmer.
    Zwei weiße Audi Q 7 kamen in hohem Tempo über die Piste zwischen den beiden Feldern heran. Ihre großen Reifen wirbelten dichte Staubschleier hoch. Ein dritter Q 7 parkte dort, wo die Piste von der Hauptstraße abzweigte. Männer sprangen aus dem Fahrzeug. Keiner von ihnen trug Uniform, doch sie organisierten sich wie eine militärische Einheit und riegelten die Zufahrt zum Hof ab.
    Hannah hörte Leah atmen und drehte sich zu ihrer Tochter um. Eine einzelne Träne haftete an den Wimpern von Leahs rechtem Auge, als sie die heranjagenden Fahrzeuge beobachtete. «Er kommt her, oder? Der Böse Mann, der Daddy getötet hat?»
    Hannah öffnete den Mund zu einer Antwort und stellte fest, dass ihr die Worte fehlten. Welche Antwort gab es auf eine Frage wie diese?
    Leah sah ihre Mutter an, und als sie lächelte, löste sich die Träne von ihren Wimpern und rollte über ihre Wange. «Schon gut, Mami, ich bin bereit. Ich lasse dich nicht im Stich.»
    Hannahs Kehle zog sich zusammen. Sie zog Leah in ihre Umarmung und drückte ihre Nase in das Haar ihrer Tochter. Es roch nach Vanille und grünen Äpfeln, nach Unschuld und Lebensfreude, nach Liebe und Vertrauen und Hoffnung. Sie hörte, wie sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch Worte voll wildem Hass hervorstieß. «Wir werden ihn besiegen, Leah. Ich verspreche es. Heute ist das letzte Mal, dass du den Namen dieses Monsters hören musst. Ich schwöre bei Gott, ich werde diese Geschichte ein für alle Mal beenden. Für dich. Für Daddy. Du wirst in Sicherheit leben, Leah. Ich verspreche dir, du wirst in Sicherheit leben.» Ihr wurde bewusst, dass sie ihre Tochter viel zu fest an sich drückte. Sie küsste Leah auf die Stirn, dann löste sie ihren Griff.
    Leahs Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Ihr Gesicht war gerötet. Sie hob das Kinn, wischte sich die Träne von der Wange und lächelte tapfer. «Ich habe ein wenig Angst, Mami, aber nicht zu viel, okay? Ich denke, der Böse Mann sollte mehr Angst vor dir haben als wir vor ihm.»
    Hannah musste lachen. Sie spürte, wie der Druck ein wenig von ihr wich und ihre Entschlossenheit zugleich stärker wurde. «Komm. Halte meine Hand. Tu, was ich sage, und erinnere dich an alles, was ich dir beigebracht habe. Heute fängt ein neues Leben an.»
    Ihre Kehle war trocken, und ihre Haut fühlte sich immer noch an, als krabbelten Insekten darauf herum. Doch in ihr wuchs ein Feuer heran, geschürt von ihrer Entrüstung darüber, dass ihre Tochter Emotionen wie diese ertragen musste, und von ihrer Entschlossenheit, diesem Fluch ein Ende zu bereiten, dieser Geißel, die sie nun schon so viele Jahre verfolgte. Sie hatte schon viel zu viele Leben gekostet. Zu viele geliebte Menschen waren deswegen gestorben.
    Hinter sich hörte Hannah die Küchentür schlagen. Sie fuhr herum. Als Sebastien zusammen mit Éva erschien, blies sie erleichtert die Luft durch die Wangen. Die Eindringlinge waren noch nicht im Haus.
    Die Augen des alten Mannes waren gerötet, aber wach. Er kam zu ihr ans Esszimmer-Fenster und machte eine finstere Miene, als er die weißen Audis herankommen sah.
    Hannah drehte sich zu der
Főnök
um. «Könnten es
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sein? Ihre Wachen?»
    Éva schüttelte den Kopf. «Zu viele. Zu plump.»
    Der erste Audi erreichte den Platz vor dem Hof. Ohne langsamer zu werden, bog er um die Ecke und rumpelte über den ausgefahrenen Feldweg um das Haus herum in Richtung Obstgarten. Der zweite Audi bremste hart und wirbelte Kies und Staub auf. Er kam kaum einen Meter vor dem Esszimmerfenster zum Stehen. Der Motor wurde ausgeschaltet.
    Atemlose Stille senkte sich herab. Der Kühlergrill des Audi war so dicht

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