Der Bann (German Edition)
beenden, sonst hätten die Tränen sie übermannt. Moses schob sich in den Raum und ließ sich bei Sebastiens Füßen nieder.
«Wie geht es jetzt weiter?», fragte Sebastien. «Hast du einen Plan?»
«Wir können nicht ewig hierbleiben», antwortete sie. «Aber Nates Zustand ist schlimm.»
«Er ist erstaunlich widerstandsfähig. Ich muss zugeben, als er mit dieser Flinte auf mich zukam, dachte ich im ersten Moment nicht, dass es wirklich er sein könnte.»
«Er ist ein Kämpfer.»
«Ich kann nicht sagen, dass ich ihn besonders gut kenne, aber unsere Wege haben sich im Verlauf der Jahre einige Male gekreuzt, über deinen Vater. Es war immer vollkommen klar, dass er bei allem, was er tut, dich und eure Tochter im Hinterkopf hat.»
«Eine ziemlich undankbare Aufgabe.»
«Nach dem, was ich eben in der Küche gehört habe, denke ich schon, dass sie sich lohnt», entgegnete Sebastien schelmisch.
Sie sah überrascht zu ihm und bemerkte das wölfische Grinsen in seinem Gesicht. «Ich weiß nicht, was ich von einem Kerl halten soll, der so alt ist wie du und derart schmutzige Bemerkungen macht.»
«Alt …» Er gackerte. «Du bist ganz die Tochter deines Vaters, nicht wahr?» Seine Miene wurde finster, noch bevor die Worte ganz heraus waren. Er presste die Lippen zusammen.
«Glaubst du, es besteht eine Chance …?»
«Lass uns heute Nacht nicht darüber nachdenken, okay? Wir wissen einfach nicht genug, um darüber zu spekulieren.»
«Wir haben nichts von ihm gehört.»
«Nein.»
«Also sieht es nicht gut aus.»
Sebastien schwieg. «Erzähl mir von deinem Plan», sagte er schließlich.
«Es hängt alles von Nate ab. Ich will ihn nicht transportieren, bevor es unbedingt sein muss.»
«Er wird noch eine ganze Weile sehr schwach sein. Und morgen wird er sich noch schlimmer fühlen. Wenn erst die Wirkung des Adrenalins aufhört und die Steifheit einsetzt, kann er sich kaum noch bewegen.»
«Ich denke, für die nächste Woche sind wir hier sicher. Selbst wenn Jakab alle möglichen Verstecke findet, zu denen wir hätten gehen können, muss er unglaubliches Glück haben, um gleich als Erstes auf dieses hier zu kommen. Wir haben jede Menge falscher Spuren hinterlassen, die ihm wahrscheinlicher vorkommen müssen. Das sollte ihn für eine Weile beschäftigen.»
«Du hast eure Flucht gut geplant.»
«Nicht ich. Wir alle. Es ist für uns zur zweiten Natur geworden. Unsere Art zu leben.»
«Wohin werdet ihr gehen?»
Sie sah auf ihre Hände. «Es tut mir leid, Sebastien, aber ich glaube, es ist besser, wenn ich das nicht verrate.»
Er nickte, und sie konnte das Mitgefühl in seinen Augen sehen.
«Was du für uns getan hast …», sagte sie leise. «Ich schulde dir unendlich viel.»
«Du musst dich nicht bei mir bedanken oder dich dafür entschuldigen, dass du mir nicht sagst, wohin ihr geht. Du hast Nate bisher am Leben gehalten, weil du so umsichtig warst. Du hast Leah die Aussicht auf eine Zukunft erhalten. Jede Wette, du hörst das nicht oft genug, Hannah – aber du bist unglaublich mutig, unglaublich stark. Ich kann nicht sagen, dass ich jemand anderen kenne, der geschafft hätte, was du geschafft hast.»
Sie schüttelte den Kopf. Was hatte sie getan, was so rühmenswert gewesen wäre? Sie war immer nur weggelaufen. Geflüchtet. Das war alles. Wie viele Jahre hatte sie überlegt, den Kampf zu Jakab zu tragen? Wie viele Nächte hatte sie davon geträumt, ihn zu töten? Wieder und wieder hatte sie sich gesagt, dass sie, solange Nate lebte und solange jemand blieb, der sich um Leah kümmerte, alles in ihrer Macht Stehende tun würde, um diesen Albtraum zu beenden. Um ihrer Tochter die Chance auf ein Leben zu ermöglichen, das ihr selbst verwehrt geblieben war.
Aber das ist alles, was dahintersteckt, nicht wahr? Ein Traum, eine Phantasie. Als sich die Gelegenheit bot, was hast du da getan?
«Glaubst du, dass wir das Richtige tun?», fragte sie Sebastien. «Indem wir fliehen, meine ich? Oder glaubst du, wir sollten uns stellen? Einen Hinterhalt für ihn vorbereiten und versuchen, diese Geschichte ein für alle Mal zu beenden?»
«Ich habe mit deinem Vater unzählige Diskussionen über dieses Thema geführt.»
«Es ist schwierig, einen Feind zu besiegen, wenn man sein Gesicht nicht kennt.»
«Es ist nicht so, als hätte er es nicht schon versucht. Ich habe die Tagebücher ebenfalls gelesen.»
«Wie lange operieren die Eleni bereits?»
«Seit mehr als hundert Jahren, alles zusammengenommen. Ungefähr
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