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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen L. Jones
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Mannes zu, was die Dieselvorräte betraf.
    Wieder draußen, wanderten sie vorbei an den verlassenen Ställen und durchquerten den Garten bis zu dem Zaun, der das Grundstück vom dahinterliegenden Farmland trennte. Die zu Llyn Gwyr gehörenden Weiden waren seit langer, langer Zeit nicht mehr abgegrast worden. Hohe Gräser und Wildblumen erstreckten sich vor ihnen, bis sie an den felsigen Hängen der Berge Geröll, Felsbrocken und schließlich nacktem Gestein wichen.
    Hannah hockte sich neben Leah und zeigte zum Horizont. «Siehst du diesen Gipfel dort?», fragte sie. «Das ist der Cadair Idris, einer der höchsten Berge von Wales. Der Name bedeutet so viel wie Riesensitz.»
    «Gibt es auf dem Berg Gletscher?»
    «Nicht mehr. Aber früher einmal gab es welche. Weißt du, was die Leute sich erzählen? Wenn du eine Nacht auf dem Gipfel verbringst, wachst du am nächsten Morgen entweder als Poet auf, oder du hast den Verstand verloren.»
    Leah lachte. «Das ist albern.» Sie bückte sich und zeigte auf etwas. «Sieh mal.»
    Hannah sah zu der Stelle, auf die der ausgestreckte Finger ihrer Tochter deutete, am Boden vor dem Zaun.
    Spuren von Tieren. Jede Menge Spuren.
    Eigenartig, so viele Spuren auf einem Fleck. Hannah konnte die Abdrücke von Hirschen, wilden Ziegen, Füchsen und anderen unterscheiden, die zu winzig waren, um sie zu identifizieren. Sie zeigte Leah alle Spuren, die sie erkannte, außerdem das Nest einer Erntemaus an einer Distel.
    Leah hörte sich alles interessiert an. «Kommt der Böse Mann hierher?», fragte sie dann.
    Hannah erhob sich. Sie nahm die Hand ihrer Tochter. «Komm, gehen wir zum See. Wir können auf dem Weg dorthin reden.»
    Es fiel ihr überraschend leicht zu erklären, was passiert war. Sie fasste neuen Mut, als sie sah, wie gut Leah es aufzunehmen schien. Sie wusste, dass das Gehörte dem kleinen Mädchen Angst machte, trotz Hannahs Bemühungen, zuversichtlich zu erscheinen – oder wenigstens neutral zu klingen. Im Verlauf der vergangenen zwei Jahre hatte sie Leah immer wieder Geschichten aus den Tagebüchern erzählt. Sie hatte nicht unverblümt den Inhalt wiedergegeben, sondern ihn benutzt, um zur Vorsicht mahnende Geschichten daraus zu spinnen, Fabeln, von denen sie hoffte, dass sie ihrer Tochter ermöglichten, die tieferen Implikationen ihrer gegenwärtigen Lage zu verstehen, auch ohne dass Hannah in die grausigen Details gehen musste.
    «Kommt Großvater hierher?», fragte Leah, als sie an den Nebengebäuden vorbei in Richtung See trotteten.
    Die Frage ließ eine Woge der Trauer über Hannah zusammenschlagen. «Ich glaube nicht», erwiderte sie erstickt. Sie hatte ihren Vater mit Jakab allein gelassen – die Wahrscheinlichkeit, ihn lebend wiederzusehen, war äußerst gering.
    Ihre Beziehung zu Charles während ihrer Erwachsenenjahre war recht stürmisch gewesen. Sie hatte zwar nicht seinen Jähzorn geerbt, dafür jedoch seine Sturheit, und das hatte zu einer Reihe spektakulärer Streitereien geführt. Er war kein perfekter Vater gewesen und sie keine perfekte Tochter, doch sie hatten sich innig geliebt, auch wenn sie nicht immer gut miteinander ausgekommen waren.
    Hannah legte ihrer Tochter den Arm um die Schultern. Sie umrundeten einen morastigen Flecken und fanden einen Pfad aus Schiefer und Steinen. Als sie sich umsah, erkannte sie, wie gut ihr Vater diesen Schlupfwinkel ausgesucht hatte. Das Tal, in welchem das Farmhaus stand, machte sie unsichtbar für jeden Verkehr auf der Hauptstraße. Wären nicht die Gebäude hinter ihr gewesen, die Gegend wäre vollkommen verlassen erschienen.
    Sie umrundeten eine Erhebung und kamen zum Seeufer. Der bewölkte Himmel hatte dem Wasser die Farbe von Stahl verliehen, und eine stetige Brise kräuselte die Oberfläche. Ein Schwarm Kanada-Gänse flog in Formation über ihre Köpfe hinweg.
    «Mami, ein Boot!»
    Hannah starrte aus zusammengekniffenen Augen auf den See hinaus, und ihre Nackenhaare richteten sich auf. Tatsächlich, dort draußen, vielleicht zweihundert Meter vom Ufer entfernt, tanzte ein weißes Ruderboot auf dem Wasser. Zwei Angelruten ragten auf einer Seite über das Dollbord. Mitten im Boot saß ein Mann in einem dicken Pullover. Er trug einen Hut auf dem Kopf und schien sie unter der Krempe hervor zu beobachten.
    Hannah spürte, wie ihr Puls anfing zu rasen.
    «Wer ist das, Mami?»
    «Ich weiß es nicht, Liebling. Ich habe keine Ahnung.»
    Leah schlang einen Arm um ihre Taille. «Ist das der Böse Mann?»
    Was sollte sie

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