Der Bann (German Edition)
seinen Mund. Er hätte beinahe aufgeschrien, außer sich angesichts der Schmutzigkeit dieses Aktes und zugleich von Lust gepackt, als sich ihr Speichel mischte und er sie schmeckte.
Sie hob die Hände und streichelte seine Schultern, dann glitten sie nach vorn und verweilten auf seiner Brust, während der Kuss tiefer wurde – doch dann stieß sie ihn mit unerwarteter Wucht von sich.
Sie ächzte und grinste schwer atmend, die Augen voller Lust, doch sie schüttelte den Kopf. «Das ist alles, was du kriegst, Lukács. Ich würde gerne, aber nein. Keinen Schritt weiter.»
«Was stimmt denn nicht?», fragte er und machte einen Schritt auf sie zu, doch sie hielt ihn mit einem einzelnen ausgestreckten Finger auf Abstand.
«Du. Ich. Das hier. Es ist falsch, und wir wissen es beide. Márkus mag Márkus sein, aber meine Beziehung zu ihm hat eine Zukunft. Das hier hat keine.»
Lukács runzelte die Stirn. «Warum nicht?» Er wollte sich auf sie stürzen, doch sie lachte und stieß ihn zurück.
«Warum nicht? Machst du Witze? Sieh dich an! Deine feinen Sachen, deine goldene Uhr. Ich habe niemals zuvor solchen Reichtum gesehen, so naiv zur Schau gestellt. Ich lebe in einem Haus mit zwei Zimmern, zusammen mit meinen Eltern und sechs Geschwistern. Mein Vater arbeitet am Fluss, und ich wasche für einen Hungerlohn anderer Leute Wäsche. Du fährst heute Nacht in deiner Kutsche nach Hause, keine Frage. Ich weiß genau, was du willst. Und ich bin ein törichtes Ding, weil es mich reizt. Aber du kriegst mich nicht.»
Seine Lust verwandelte sich in Frustration und Ärger. «Und warum nicht?»
Krisztinas Augenbrauen zogen sich zusammen, und ihre Augen blitzten vor Empörung. «Du glaubst wohl, du kannst dir eine Nacht mit mir kaufen, wie?»
«Ich habe zwei Abende mit dir gekauft.»
Sie gab ihm eine Ohrfeige.
Er schlug zurück. Hart.
Krisztina schrie auf, mehr aus Empörung als vor Schmerz. Sie legte sich die Hand an die Wange. Ihre Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt, als sie vor ihm zurückwich. «Komm nie wieder in meine Nähe, Lukács. Nie wieder!», spuckte sie. Dann raffte sie ihre Röcke und stapfte davon.
Lukács’ Finger brannten von der Ohrfeige, die er ihr versetzt hatte. Er atmete schwer, aus Erregung, aus Wut, aus Verärgerung. Ihr Geruch hing ihm in der Nase, ihr Geschmack haftete an seinen Lippen. Er sah ihr nach, wie sie am Ufer entlang davonmarschierte, bis die Nacht sie verschlungen hatte.
Aus Lukács’ wütendem Stirnrunzeln wurde ein selbstgefälliges Grinsen.
Das dritte
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fand ganz ohne Masken statt. Es repräsentierte den symbolischen Eintritt der jungen
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in den Erwachsenenstand und gestattete den Teilnehmern, frei von den Beschränkungen der Kindheit zu interagieren. Es war das erste Mal, dass sie ein eventuelles Interesse kundtun durften. Potenzielle Partnerschaften wurden beim finalen
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von den
tanács
beurteilt und abgewogen. Angemessene Paarungen wurden gebilligt, und die Brautwerbung konnte beginnen.
Lukács betrachtete es zwar nicht als Segen, doch er wusste, dass zwei Geschwister zu haben eine Seltenheit war.
Hosszú életek
vermehrten sich nicht leicht und nur während einer kurzen Periode ihres Lebens. Die niedrige Geburtenrate zusammen mit ihrer extremen Langlebigkeit hatte zur Folge, dass die gesamte Gemeinschaft sehr stark an einer erfolgreichen Paarung ihrer Jungen interessiert war.
Lukács für seinen Teil hatte alternative Vorbereitungen getroffen.
Seine letzte Begegnung mit Krisztina hatte ihn zunächst über alle Maßen erzürnt. Er konnte die Verachtung des Botschafter-Miststücks verstehen – so eben –, doch die Zurückweisung durch eine Tavernenschlampe aus Buda war eine ganz andere Angelegenheit. Das konnte er nicht auf sich beruhen lassen. In den vergangenen Wochen hatte er gespürt, wie sich die Veränderungen in ihm beschleunigt hatten. Trotz der beiden Zurückweisungen – oder vielleicht gerade deswegen! – fühlte er sich zum ersten Mal in seinem Leben wohl in seiner Haut. Und er sah eine Zukunft, in der er seine eigenen Entscheidungen traf, frei von den Beschränkungen, die ihm von den
tanács
auferlegt worden wären.
Er konnte nicht am dritten
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teilnehmen, so viel war klar. Auch wenn die Konsequenzen seines Fernbleibens ernst waren, so betrachtete er die bevorstehende Konfrontation mit seinem Vater als den Wendepunkt, an dem sein Leben eine neue Richtung nehmen würde.
Als er seinem Vater sagte, dass er in die
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