Der Bann (German Edition)
alle
gerettet! Ich sollte eigentlich dein Tarzan sein, aber du hast mich über die Schulter geworfen und bist mit mir aus dem Dschungel marschiert.» Er grinste. «Wenn ich nicht so verdammt viel Blut verloren hätte, würde ich jetzt wahrscheinlich erröten.»
Plötzlich musste sie lachen. Sie lachte und küsste ihn, fühlte sich belebt von seinen Worten und berauscht von ihrer Liebe zu ihm.
Ganz gleich, wie schwierig ihre Lage sein mochte, Nate wusste mit verblüffendem Instinkt, was er sagen musste, um sie aus ihrer Depression zu holen, sie aufzusammeln, abzuklopfen und wieder auf die Füße zu stellen. Sie liebte ihn für so viele Dinge. Im Moment für sein angeborenes tiefes Verständnis, seine Fähigkeit, immer zu wissen, was er sagen musste, um sie aufzumuntern. All das war wie ein Rettungsring, der sie über Wasser und am Leben hielt.
Und dann war der Zauber verschwunden, als ihr einfiel, dass sie nicht allein waren und Sebastien am Tisch saß und sie beobachtete. Diesmal lachte sie voller Verlegenheit und bemerkte, dass sie diejenige war, die errötete. «Schmeichler», sagte sie zu Nate, während sie sich erhob und ihm einen Klaps auf den Arm gab. «Sorry, Sebastien, wir benehmen uns wie ein paar Teenager.»
Der alte Mann grinste. «Soll ich dazwischengehen?»
«Was hältst du davon, wenn du mir stattdessen ein Glas Wein einschenkst?»
«Gerne.»
Ihr Handy auf dem Tisch fing an zu summen.
Sebastien zögerte, eine Hand an der Weinflasche, während er auf das kleine vibrierende Gerät in der schwarzen Gummihülle starrte. Der alte Mann guckte aufs Display, dann drehte er sich zu Hannah um.
Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, spürte sie, wie sich ihr Magen verdrehte. Sie schnappte das Telefon vom Tisch. Auf dem Display stand nur ein Wort.
Dad.
Hannah war nicht vorbereitet auf die Emotionen, die sich in ihr überschlugen. Sie konnte nicht klar denken; für einen Moment wusste sie nicht einmal mehr, wie sie das Telefon bedienen musste. Verzweifelt fummelte sie daran herum und ließ es beinahe fallen: «Dad?», fragte sie mit erstickter Stimme.
Stille am anderen Ende der Leitung. Dann: «Hannah. Oh, Gott sei Dank!»
Die Stimme ihres Vaters. Hannah wurde von Schluchzen überwältigt. Sie zitterte, und Tränen strömten über ihre Wangen. Sie sank zu Boden, beugte sich vornüber, das Handy an ihr Ohr gedrückt, die Stirn an den Bodenfliesen, und wiederholte unablässig den Namen ihres Vaters. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich so weit beruhigt hatte, dass sie seine tröstenden Worte hörte, die sie zum Verstummen brachten.
«Wo bist du?», fragte sie schließlich. «Was ist passiert? Ich dachte, du wärst tot.»
«Es gibt eine Menge zu erzählen. Aber mir geht es gut, Hannah. Alles ist in Ordnung. Das ist für den Moment die Hauptsache. Ich musste für eine Weile die Verbindung abreißen lassen. Ich werde dir nicht verraten, wo ich jetzt bin. Es ist besser, wenn du das nicht weißt. Es war … es war eine Sauerei, Hannah. Eine unbeschreibliche Sauerei.» Sie hörte Anspannung in der Stimme ihres Vaters, einen Unterton, wie sie ihn noch nie zuvor gehört hatte.
«Wo ist Jakab?»
«Erledigt. Tot. Er ist endlich tot. Dieser Teil der Geschichte ist zu Ende. Aber es wimmelt von Polizei. Sie suchen nach mir. Du bist entkommen, das ist das Wichtigste. Du bist entkommen, und es ist vorbei. Bist du verletzt?»
«Nein, mir geht es gut. Wirklich. Mir fehlt nichts.»
«Wo seid ihr jetzt? Ist Nate okay?»
«Wo wir sind?»
Sebastien ergriff ihre Schulter und drückte so fest zu, dass sie zurückfuhr. Sie starrte in das Gesicht des alten Mannes, in Augen voll smaragdgrünen Feuers. Sie blickte zu Nate, der sie gleichermaßen entsetzt anstarrte. Und dann dämmerte ihr, wie dumm sie war. Ihre Erleichterung, die Stimme ihres Vaters zu hören, hatte sie geblendet. Sie hatte nicht an eine dunklere, schlimmere Möglichkeit gedacht.
Hatte sie denn überhaupt nichts gelernt in all den Jahren?
«Hannah?»
«Ich bin hier, Dad. Was …» Sie zwang sich zu denken. «Wie war der Name deines Freundes an der Universität? Du weißt schon, dieser nervöse Kerl, der ständig über Volkskunde geredet und mit den Händen gefummelt und jeden nervös gemacht hat?»
«Hannah, wie kommst du denn jetzt darauf?»
«Dad, bitte. Beantworte meine Frage.»
«Du meinst Beckett? Warum?»
Sie schloss die Augen, als sie seine Antwort hörte, doch als sie sie wieder öffnete, sah sie, wie Sebastien den Kopf schüttelte und ihr
Weitere Kostenlose Bücher