Der Bann (German Edition)
bedeutete fortzufahren. Es war eine einfache Frage gewesen. Zu einfach für eine Validierung. «Gestern bin ich einem deiner alten Freunde begegnet, Dad. Er gab mir etwas. Etwas, das du Mum vor langer Zeit geschenkt hast. Erinnerst du dich?»
Statisches Knistern in der Verbindung. «Hannah, ich habe ihr so viele Dinge geschenkt. Ich weiß, du musst dich überzeugen, dass wirklich ich es bin. Was kann ich sagen?»
Sie spürte, wie aufsteigender Schmerz ihr die Kehle zusammenschnürte, wie Hoffnung sich in Trauer verwandelte. «Du musst dich erinnern, Dad. Bitte. Du hast es ihr damals im Urlaub gekauft, als wir in Bern waren. Bitte, Dad.
Bitte.
»
«Hannah, Liebes. Es war ein schwerer Tag. Ich bin völlig erschöpft. Sag mir, wo du bist. Ich möchte zu dir kommen. Es ist vorbei, Hannah. Du musst keine Angst mehr haben. Jakab ist tot.»
Mit einem unbeschreiblichen, erstickenden Schmerz, der aus ihrer tiefsten Seele kam, der in ihre Glieder ausstrahlte und ihren Kopf überflutete, wurde ihr klar, dass die Stimme am anderen Ende der Verbindung nicht die des geliebten Vaters war, sondern die eines abscheulichen Betrügers. Eines Blenders, der ihre Familie mit Tod und Vernichtung überzogen hatte, der versucht hatte, ihren Mann zu ermorden, der versucht hatte, in seine Rolle zu schlüpfen und sich in ihr Leben zu schleichen wie ein unsichtbares Krebsgeschwür, und alles vergiftete, was er dabei berührte.
«Was hast du mit meinem Vater gemacht,
du widerlicher Bastard
?»
Stille.
In der Leitung und in der Küche.
Sebastien lockerte seinen Griff um ihre Schulter. Sein Gesicht war lang vor Kummer. Nate glitt vom Sofa auf die Knie. Streckte die Hand nach ihr aus.
Als die Stimme wieder sprach, hatte sie jegliche Ähnlichkeit mit der ihres Vaters abgelegt. «Weißt du, das nenne ich wirklich unglaubliches Pech. Da warte ich Jahre auf eine Gelegenheit, mit dir zu reden, und dann fangen wir gleich beim ersten Mal auf dem falschen Fuß an.» Jakab zögerte. «Ich möchte mich entschuldigen. Das war ein jämmerlicher Versuch, und es tut mir wirklich leid. Wahrscheinlich die Nerven. Ich schätze, man könnte es Lampenfieber nennen. Es ist einfacher, in die Rolle eines anderen zu schlüpfen, als die eigene Seele zu entblößen. Ich bin wirklich nicht das Monster, für das du mich hältst. Ich wollte nur mit dir reden, unbelastet von all diesen Komplikationen, von dieser langen, elenden … Geschichte.»
Sie bemerkte, dass sie immer noch auf dem Boden kniete, und sprang auf. Ihre Trauer wich rasender Wut. Sie musste stehen, um kämpfen zu können. «Wo ist er?»
Jakab lachte. «Hannah, bitte. Für wie dumm hältst du mich? Deinem Vater geht es gut. Es wäre eine ziemlich ungewöhnliche Strategie, meinst du nicht, wenn ich mich bei dir einzuschmeicheln versuchte, indem ich deinem Vater ein Leid antue, noch dazu, bevor wir uns je begegnet sind?»
«Das hat dich früher auch nicht aufgehalten.»
Ein Seufzer. «Gerüchte, Hannah. Lügen. Du warst nicht dabei, und du kannst es nicht wissen. Ich habe mich um Charles gekümmert. Es geht ihm gut. Er sitzt in diesem Moment hier vor mir, während wir reden.»
«Gib ihn mir.»
«Mit Vergnügen.»
Eine Pause, dann die Stimme ihres Vaters in der Leitung. «Hannah?»
«Dad?» Falls es wirklich ihr Vater war, klang er gebrochen.
«Ich liebe dich», sagte er. «Immer. Okay? Sei tapfer. Wir wissen, dass dies das Ende ist. Tu es nicht. Frag mich nicht. Du weißt nie, wer dir antwortet. Ich werde immer bei dir sein. Geh jetzt.»
Er verabschiedete sich. Er hatte beschlossen, dass es das letzte Mal war, dass er mit ihr reden würde, und er versuchte, seine Würde zu bewahren.
Sie schlug eine Hand vor den Mund, presste sie auf die Lippen und fragte sich, warum sie das tat. Es war eine so sinnlose Geste.
Dann sprach wieder Jakabs Stimme. «Hannah, bitte. Hör mich an. Was ich gesagt habe, war ernst gemeint. Ich bin nicht das Monster, das du in mir siehst. Ich werde ihm nicht wehtun. Ich gebe dir mein Wort darauf. Diese Geschichte geht nun schon viel zu lange. Ich bin müde. Ich will dich sehen, ja. Ich will mit dir reden. Aber ich will niemandes Platz einnehmen. Dazu ist es zu spät; außerdem hätte es niemals lange genug funktioniert. Deinem Vater wird nichts geschehen. Ich bitte dich nur um ein Treffen. Nur du und ich, niemand sonst. Wo immer du willst. Draußen im Freien. Du bestimmst den Ort. Aber ich möchte dich sehen, einmal. Reden. Erklären. Es gab so viele Unwahrheiten. Ich
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