Der Barbar aus den Highlands
verstehen, Cecily nach oben zu begleiten. Heute Abend hatte sie ihm wahrhaftig alle Ehre gemacht. Mit ihren Manieren und ihrem Liebreiz hätte sie selbst an der Tafel eines Königs bestehen können. Doch sie war seltsam zurückhaltend gewesen. Manchmal hatte er den Eindruck gehabt, dass sie ein Spiel spielte und aus Angst vor einem Fehltritt alles, was sie tat, äußerst überlegt ausführte. Heute war seine Hochzeitsnacht, aber es war nicht ihre erste gemeinsame Nacht, und mittlerweile drängte es ihn mehr, eine Antwort auf das Rätsel zu bekommen, das seine Frau für ihn darstellte, als unverzüglich mit seiner Braut ins Bett zu steigen. Als er sich schließlich auf den Weg ins Schlafgemach machte, konnte er seine Neugier kaum noch zügeln. Er wollte Antworten, und zwar hier und jetzt.
Meg setzte sich wieder auf den Platz neben Angus und bedankte sich leise, als der Page ihr Wein nachschenkte. »Sie sah wirklich sehr hübsch aus.«
»Aye, und ab und zu wirkte sie sogar ganz unbefangen. Aber oft war es so, als würde man eine Fremde anschauen und einer Fremden zuhören.« Angus schüttelte den Kopf. »In den letzten Wochen passiert das immer häufiger.«
»Ich fürchte, Anabels Arm reicht sehr weit«, murrte Meg.
»Was meinst du damit?«
»Anabel brachte Cecily mit unnachgiebiger Strenge alles bei, was junge Damen ihrer Meinung nach wissen sollten. Was ich von Anfang an so sehr an Artan schätzte und warum ich ihm vertraute, war, dass er ganz anders schien als die Höflinge, die dort ein- und ausgingen. Aber Anabel und Edmund sind genauso. Und heute Abend hat es sich auch wieder bei Cecily gezeigt. Aus Gründen, die nur sie kennt, hat sie beschlossen, die perfekte Lady zu spielen. Kurz, nachdem es Artan besser ging, ist mir das schon aufgefallen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, sie hat Gott versprochen, eine vorbildliche Gemahlin und vollendete Lady zu werden, wenn er Artan leben lassen würde.«
»Und dann hat der Junge die Augen aufgeschlagen.«
»So viel Pech, wie dieses Mädchen in ihrem Leben hatte, legt nahe, dass es genauso war. Sie verspricht, etwas zu sein, was sie hasst, und das Schicksal wendet sich und sie muss sich fügen.«
»Aber so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Sie erstaunt mich nur ab und zu.«
»Wart’s ab, Angus. Es wird nicht lange dauern, bis du sie am liebsten erwürgen würdest.«
»Wenn es Regeln für eine Lady gibt, die so unangenehm sind, warum befolgen sie Frauen dann überhaupt?«
»Sie sind vor allem dann unangenehm, wenn sie ein gutes Mädchen wie Cecily zu einem Menschen machen, den man nicht kennt und wahrscheinlich nie richtig kennenlernen kann. Und es ist wahrhaftig unangenehm, wenn eine Frau wie Anabel die Unterweisungen vornimmt; denn sie war die Schlimmste aus dem ganzen Haufen.«
»Tja, was soll man da machen? Aber im Grunde ist das alles nicht mein Problem«, meinte Angus, lehnte sich zurück, trank seinen Wein und beobachtete die Gäste.
Artan öffnete die Tür zu ihrem Schlafgemach, bereit, seine Braut zu befragen. Doch als sein Blick auf sie fiel, in ihrem dünnen Leinennachthemd und mit den langen, roten Haaren, die ihr offen auf den Rücken fielen, vergaß er sämtliche Fragen, die ihm auf der Zunge gelegen hatten. Er wollte nur noch seine Kleider vom Leib reißen und dann sie entkleiden und schnell und kraftvoll zum nächsten Schritt übergehen.
Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen. In mancher Hinsicht war seine Gemahlin noch immer sehr unschuldig. Ein Mann bestürmte eine unschuldige Frau nicht auf solche Weise. Er durfte Cecily wahrhaftig nicht so einschüchtern, dass sie vor ihm davonrannte. Mit dem Glück, das ihm in letzter Zeit beschieden war, hätte er wetten können, dass die Hälfte der Hochzeitsgäste zur rechten Zeit am rechten Ort sein würden, um zuzusehen, wie der künftigen Laird von Glascreag die künftige Herrin von Glascreag durch die Gänge der Burg verfolgte. Als er an sich herabblickte, merkte er, dass er bereits halb entkleidet war. Die anderen würden bestimmt herumerzählen, dass er seine Braut splitterfasernackt verfolgt hatte.
Als er zu Cecily trat, fand er, dass sie eher entschlossen als verängstigt wirkte. Dann dachte er daran, dass sie Angus’ Nichte war, und er vermutete, es würde ihr keine allzu große Angst einflößen, wenn ein nackter Highlander sie verfolgte.
»Du hast in deinem Hochzeitskleid wirklich wunderschön ausgesehen«, murmelte er und befingerte die feine Leinenspitze an
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