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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Beim Bau wurde ein altes Fort aus der Zeit der fatimidischen Herren mit einbezogen, für den Rest herrschte der byzantinische Baustil mit seinen Spitzbögen vor. Da war ein Wirrwarr von Sälen, Treppen, Kammern und Verliesen, Pferdeställen, Vorratslagern, Truppenunterkünften, Wachstuben, Waffenkammern, Schmieden und Handwerksstuben aller Art, ein Kontor und sogar ein griechisches Bad. Ein Bad in einer Festung! So etwas konnten sich nur Griechen ausdenken.
Qala’at Sanjil
nannten die Einheimischen die Burg nach ihrem Erbauer, Sant Gille. Sie war Hauptquartier und militärische Stütze der Tolosaner und konnte, wenn notwendig, ein kleines Heer aufnehmen.
    Teile der alten Stadt Al-Mina waren durch die Eroberung im letzten Jahr beschädigt. Die Einheimischen beklagten den Brand der großen arabischen
bibliotheca,
die angeblich über Tausende von Büchern verfügt haben soll. Den schönsten Stadtteil, direkt am Hafen, hatte Bertran den Genuesen überlassen, als Entlohnung für die Hilfe ihrer Kriegsschiffe. Hier war ein schwunghafter Umschlagplatz für den Seehandel mit dem Westen entstanden und der Schiffsbau neu belebt worden.
    Als Bertran letztes Jahr mit seinem Heer erschien, war ein neues Heerlager südlich der alten Vorstadt entstanden, die sich seit dem Bau der Burg wieder belebt hatte. Erste Zelte und Bretterverschläge hatten sich zu Hütten und Häusern gemausert. Und nun drangen diese von der Vorstadt ins Heerlager vor, so dass die Grenze zwischen beiden nicht mehr zu erkennen war. Viele Menschen waren durch Krieg und Plünderungen aus ihren Dörfern vertrieben worden, andere zog das erbeutete Gold der Soldaten an, und so schienen die Gassen täglich überfüllter und verstopfter zu werden. Handwerker, Hufschmiede und Kesselflicker, Pferde-, Kamel- und Sklavenmärkte, Weinstuben und Kaschemmen, ein großer Marktplatz und viele dunkle Gassen, in denen Huren aller Hautfarben den Soldaten das Silber aus den Taschen lockten.
    Wir bahnten uns am Rande dieses geschäftigen Viertels den Weg durch die Menge, die uns respektvoll Platz machte. Einige, die mich kannten, grüßten, andere starrten uns wortlos an. Ob mit Gleichgültigkeit oder verstecktem Hass, war schwer zu sagen. Das Volk war ohne Zweifel froh, dass das Hungerleiden der Belagerungszeit vorüber war. Das Umland war fruchtbar, es gab zu essen, und nun kamen auch wieder Schiffe aus Übersee und Karawanen aus dem Landesinneren. Doch viele waren durch die Zerstörungen obdachlos geworden und lebten in armseligen Unterkünften. Es würde noch Jahre dauern, bis die Spuren des Krieges beseitigt waren.
    Wir näherten uns der dunklen Festung. Auf einem der Wehrtürme wehte das Banner der Grafen von Tolosa. Der Wind vom Meer bewegte das Tuch, dessen rote Farbe und keckes Flattern ein wenig den düsteren Anblick der Festung belebten. Von den Wehrgängen sahen Wachen auf uns herab.
    Plötzlich und unerwartet bot sich uns ein grausiger Anblick.
    Auf der zur Straße gewandten Seite der Festung baumelte ein eiserner Käfig an einer Kette über der Mauer. Darin hing eine schrecklich zugerichtete Männerleiche. An Brust und Rücken hatte man ihm die Haut vom Leib gezogen, die in langen, blutigen Lappen herunterhing. Arme und Beine waren von Brandmalen verunstaltet, Finger- und Fußnägel ausgerissen und Gelenke zertrümmert. Sein abgeschnittenes Geschlechtsteil hatte man ihm in den Mund gestopft. Das heisere Krächzen der Krähen ließ uns erschauern. Die schwarzen Vögel hockten auf dem Käfig und stritten sich um das geschundene Fleisch des armen Teufels. Ich ahnte, dass es Kyriacos war, dessen Leiche aus leeren Augenhöhlen auf uns herabsah.
    Adela erstarrte bei diesem Anblick.
    Ich packte die Zügel ihres Gauls und gab Ghalib die Sporen. Im schnellen Trab ritten wir über die Brücke, an den Wachen vorbei durchs Tor und in den Vorhof hinein. Dort sprang ich vom Pferd und hob das Kind aus dem Sattel. Sie barg ihr Gesicht in meinem Mantel, und ich fühlte, wie sie zitterte.
    Der Hauptmann der Wache salutierte.
    »Wem haben wir dieses … dieses … Ding da draußen zu verdanken?« Ich rang vor Wut nach Worten. Es fiel mir schwer, Kyriacos’ Überreste noch als Mensch zu bezeichnen oder gar beim Namen zu nennen.
    »Der junge
Senher
Ricard gab den Befehl …«, begann er und ließ den Rest des Satzes ratlos in der Luft hängen.
    »Und seit wann ist der Kerl
castelan?
«, schnauzte ich zurück.
    »Der Graf hat sich in seinen Palast in Tripolis zurückgezogen. Und in

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