Der Bastian
jemand, dem man sehr auf
die Nerven geht.
Bastian fragte, wann sie Zeit hätte. Katharina
sagte, im Augenblick wäre es schlecht. Der Stationsarzt hätte Urlaub. Der
Chefarzt wäre zu einer Tagung.
»Und bitte, rufen Sie nicht mehr an, Herr
Guthmann. Ich habe deshalb nur Ärger auf der Station.«
»Aber zu Haus darf ich Sie anrufen?«
»Wenn ich zu Haus bin, bin ich meistens so müde,
daß ich nur schlafen möchte.«
»Ist es wegen Susi?« fragte er.
»Susi? Was für einer Susi?«
»Susi Schulz. Sie wohnt bei mir mit Kathrinchen.
Sie war vorhin am Telefon, als Sie anriefen. Sie haben doch angerufen, nicht
wahr?«
Kurzes Zögern. Dann: »Nein, das war ich nicht.
Bei uns ist heut die Hölle los, ich komme erst eben dazu...«
»Jaja«, sagte Bastian und glaubte ihr nicht.
»Ich kann nichts dafür, daß sie bei mir wohnen. Sie haben nichts anderes
gefunden.«
»Ach«, staunte Katharina, »wirklich nicht? Die
Armen.«
»Es ist nichts, was Sie denken! Glauben Sie mir-.«
»Hören Sie!« unterbrach sie ihn ärgerlich. »Was
gehen mich Ihre Privatgeschichten an.«
»Sie gehen Sie etwas an! Wenn nicht Sie, wen
denn sonst?«
Katharina holte hörbar Luft. »Herr Guthmann, ich
fürchte, Sie geben sich da falschen Hoffnungen hin. Ich finde Sie nett, aber—.«
»Sie nehmen mich nicht ernst.«
»Nein.«
»Schade«, sagte er. »Ich hab’s nämlich noch nie
so ernst gemeint wie diesmal.«
»Ach, das tut mir wirklich leid für Sie. Sie
werden schon drüber hinwegkommen, nicht wahr? — Ich muß jetzt Schluß machen.
Grüßen Sie Frau Schulz. Hat sie Ihnen erzählt, daß ich sie und ihr Baby bei
meinen Eltern unterbringen wollte — zumindest in den ersten Wochen, wo sie noch
nicht arbeiten kann...?«
»Was haben Sie?«
»Aber sie hat abgelehnt. — Also, alles Gute,
Herr Guthmann, und bitte rufen Sie nicht mehr an. Ich habe keine Zeit.« Bastian
saß da, mit dem Hörer in der Hand, aus dem Katharina Freudes Stimme
entschwunden war. War völlig verdattert. Begriff nur eins: Er hatte Katharina
Freudes so umständlich erworbene Sympathie wieder verloren und ahnte nicht,
warum. Vielleicht hatte sie einen Freund, von dem er nichts wußte. Vielleicht
hatte sie übers Wochenende ihrer Vernunft zuhören müssen, die ihr sagte, was
seine Großmutter in tiefer Achtung vor dem akademischen Stand von Anfang an
gedacht hatte: »Was soll ein Fräulein Doktor mit dir? Du hast nichts, bist noch
nichts und dafür schon zu alt.«
Susi kam herein, mit einer Zeitung in der Hand.
»Schau mal, was ich auf dem Klo gefunden hab’.
Ein Inserat: >Eleganter Kinderwagen, fast neuwertig, preisgünstig
abzugeben.< Da rufen wir mal an, ja? Hier ist die Nummer. Oder telefonierst
du noch?«
»Nein«, sagte Bastian, »nicht mehr.« Er stand
auf. »Das war eben die Ärztin aus dem Krankenhaus, die Dr. Freude.«
Susi faßte sich an den Kopf. »Jetzt weiß ich —
die hat heut mittag angerufen. Die Stimme kam mir bekannt vor. Was wollte sie
denn?«
»Sie sagte, sie hätte dir angeboten, fürs erste
mit Kathrinchen bei ihren Eltern zu wohnen.« Er schaute Susi an.
Susi erinnerte sich gerade noch. »Ja, das hat
sie gesagt, das war ja auch sehr lieb von ihr. Aber was soll’n wir denn bei
wildfremden Menschen!? Auf dem Land! Stell dir mal vor!« Bastian stellte sich
gar nichts vor, sondern ging aus dem Zimmer und schmiß die Tür so rabiat hinter
sich zu, daß Kathrinchen aufwachte und zu schreien begann. Das arme
Kathrinchen.
Susi mußte weinen.
Zwischen Fenster und Wasserboiler hing eine
Leine mit tropfender Babywäsche durch. In der Wanne weichten Susis gestickte
Jeans. Ins Waschbecken durfte er kein Wasser füllen, weil das Abflußrohr
undicht war. Bastian gab das Waschen auf und ging in sein Zimmer, in dem Susi,
den Kopf voll Lockenwickler, gerade Kathrinchens Windeln wechselte.
Susi war trotz der frühen Morgenstunde
wunderbarer Laune, denn Kathrinchen hatte ausgezeichneten Stuhlgang — ob
Bastian mal sehen wollte?
Bastian wollte nicht. Er betrachtete bloß den
Tisch, auf dem Kathrinchen gewindelt wurde. Bastian stellte sich vor, er hätte
noch nicht seine Klausuren hinter sich. Er müßte noch immer diesen Wickeltisch
als den für seine Zukunft entscheidenden Arbeitsplatz bezeichnen.
»Dieser Säugling wird eher schulpflichtig, als
daß ich Lehrer werde«, heulte er auf.
Susi sah sich erschrocken nach ihm um. »Was ist
denn plötzlich los?«
»Gar nichts.«
»Du willst uns nicht mehr. Was können wir denn
dafür, daß uns
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