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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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ließ sie auf- und zuklappen, bis Karl plötzlich neben ihm stand,
ihm sein Spielzeug aus der Hand nahm und an seinen namentlich bezeichneten
Platz zurückstellte.
    Bastian las: »Frau von Warwin.« Also ein
adeliges Gebiß. Er dachte, wie lustig es wohl wäre, wenn man alle Gebisse
untereinander vertauschte wie Schuhe vor Hotelzimmertüren. »Was gibt’s denn?«
fragte Karl, schon ganz nervös in Anbetracht des brüderlichen Spieltriebs. »Ich
habe wenig Zeit. Bringst du mir mein Hemd zurück?«
    »Bald«, sagte Bastian. »Ich komm’, weil ich dich
fragen wollte, ob ich paar Tage bei dir wohnen kann.«
    »Wieso? Hat man dir gekündigt?«
    »Ich hab’ ein Mädchen mit seinem Baby bei mir
aufgenommen. Nun ist es mir zu eng, weil ich nicht eng genug mit ihr befreundet
bin, verstehst du?«
    Karli sah ihn kopfschüttelnd an. »Warum nimmst
du sie dann erst auf?«
    »Ja, warum...«, sagte Bastian und schaute sich
an dem Dreieck zwischen Karlis energischem Kinn und seinen Kittelaufschlägen
fest. Darin schwebte sein Adamsapfel beim Sprechen wie ein Paternoster auf und
nieder.
    »Du tust immer so unüberlegte Sachen, und
nachher stehst du da«, sagte Karl.
    Sein überheblicher Ton brachte Bastian umgehend
auf die Palme.
    »Dir würde so was nie passieren. Dir nicht. Du
würdest dich niemals mit anderer Leute Schicksal belasten. Du tust nur, was du
willst.«
    »Ja und?«
    »Ja und! Ja und!«
    »Kann ich was dafür, daß du vor allem das tust,
was andere von dir wollen? Und dich nachher drüber ärgerst?« sagte Karl. Das
Dumme an ihren brüderlichen Auseinandersetzungen war, daß Klappzahn logisch
blieb, während Bastian gleich zu stänkern anfing.
    Er knurrte: »Was dir fehlt, ist ein Tritt in den
Hintern, damit du endlich mal von deinem Sockel fliegst.«
    Karl schüttelte den Kopf. »Was willst du
eigentlich? Willst du mein Gästezimmer, oder willst du mich anpöbeln?«
    »Scheiß auf dein Gästezimmer«, sagte Bastian.
»Ehe ich mir ständig von dir Vorhalten lasse, wie schlau du bist und wie
saudumm ich, hör’ ich mir lieber das Geschrei fremder Babys an.«
    »Wie du willst«, sagte Klappzahn kühl.
    »Es war richtig schön, dich mal wiederzusehen.«
    »Ja, du mich auch. Und vergiß mein Hemd nicht.«
    Bastian bereute, zu Karl gegangen zu sein. Er
bereute auch, daß er sich so blöd benommen hatte. Er benahm sich nur noch blöd,
seit er Liebeskummer hatte. Katharina, ach, du gehst so sti-hille... still,
aber unermüdlich ging sie in seinem Kopf herum.
     
    Drei Tage hielt er es nun schon durch, sie nicht
anzurufen. Zu Haus fiel’s ihm leicht, weil Susi um ihn herum war. Unterwegs
schaute er fort, wenn er eine Telefonzelle sah.
    Er war ständig unterwegs. Am Dienstag vormittag
hatte er Praktikum in einer Pasinger Grundschule, nachmittags einen
Nachhilfeschüler, abends ging er zum erstenmal seit einem Jahr ins Kino.
    Mittwoch fuhr er Taxi, Donnerstag segelte er mit
einem Kommilitonen auf dem Ammersee (leider Flaute), Donnerstag nacht fuhr er
Taxi.
    Freitag früh hatte er einen Nachhilfeschüler,
und am Freitag nachmittag begegnete er Katharina Freude in der Fußgängerzone.
    Vor den Auslagen eines Schuhgeschäfts.
    Er konnte es einfach nicht glauben, aber sie
war’s wirklich, im hellen Trenchcoat, ungeschminkt, einen Wuschel Haare im
Gesicht, sich selbst so gar nicht wichtig nehmend und so wenig auf Beachtung
bedacht. Bastian spürte Herzklopfen im Magen. Er hatte genügend Zeit, sie zu
betrachten. Außer ihm fiel sie niemandem auf.
    »Katharina Freude«, sagte er schließlich.
    Sie sah sich um und sagte bloß: »Ach Gott.«
    »Erinnern Sie sich noch an mich? Ich bin der,
von dem Sie nichts mehr wissen wollen. Warum eigentlich nicht, Katharina, was
hab’ ich Ihnen getan?«
    »Nichts«, sagte sie, »gar nichts, wieso?«
    »Ich habe Sie drei Tage nicht angerufen. Es ist
mir sehr schwergefallen. Ich war so vernünftig, wie Sie verlangt haben.« Er
schaute zum Himmel. »Aber das Schicksal hat uns wieder zusammengeführt.«
    »Wenigstens hat es diesmal keinen Verkehrsunfall
dafür inszeniert«, sagte sie, und das Lächeln in ihrer Stimme machte ihm wieder
Mut.
    Machte ihn glücklich.
    »Wie geht es Frau Schulz und Kathrinchen?«
    »Ich seh’ sie kaum.«
    »Wohnen sie nicht mehr bei Ihnen?«
    »Doch. Sie schon-.«
    »Und Sie?«
    »Ich bin auf der Suche nach einer anderen
Bleibe. Bei meinem Bruder war ich gerade. Da geht’s nicht. Der hat zwar ‘n Bett
frei, aber eins mit Vorwürfen.«
    Er fummelte prüfend durch

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