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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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Immobilieninseraten waren von
Teeblättern aufgeweicht, aber noch lesbar.
    Bastian studierte alle Möblierte-Zimmer-Angebote
und kreuzte das Passende an. »Die rufen wir jetzt der Reihe nach
    an.«
    »Warum?« fragte Susi. »Und was soll ich sagen?«
    »Die Wahrheit. Du sagst, du bist Sekretärin, das
bist du ja auch bald wieder halbtags. Du bist solide — hast ein Baby...«
    »Ich kann das nicht.« Susi war dem Weinen nahe.
    Bastian schaute nicht hin. Das machte es ihm
leichter, roh zu bleiben. Er drehte die erste inserierte Telefonnummer und
reichte Susi den Hörer.
    Susi stotterte »Ja, hier Schulz« hinein. »Ich
rufe an wegen des Inserats. Ich bin interessiert und halbtags solide — ich
meine — mit Baby-.« Sie lauschte einer kurzen, heftigen Widerrede und sagte
dann: »Ach so — ja — danke.«
    »Schon vergeben? Dann versuch noch die nächste
Nummer.«
    Sie versuchten zwölf Nummern. Keiner wollte eine
halbtagsbeschäftigte Mutter mit Kind, sondern einen ganztagsbeschäftigten,
anhanglosen, soliden Junggesellen, der auf Küchenbenutzung verzichtete.
    »Man will uns nicht«, seufzte Susi zufrieden.
»Du hörst es selbst.« Und sie beugte sich über das schlafende Kathrinchen — ein
Bild süßen, unschuldigen Friedens.
    »Komm her, Bastian, schau sie dir an. So was
Liebes will nun keiner haben. Kannst du die Menschen verstehen?«
    Bastian betrachtete Kathrinchens eilig pustenden
Schlaf und konnte sich plötzlich vorstellen, wie der Referendar aussehen
mochte. Denn mit Susi hatte das Baby bisher noch keine Ähnlichkeit.
     
    Katharina Freude hatte das Wochenende bei ihren
Eltern verbracht. Bei ihrer Rückkehr nach München bekam sie den Rock kaum zu.
    Daß Mütter einen immer mästen wollten, wenn man
einmal anderthalb Tage zu Hause war. Ansonsten hatte sie einen Sonnenbrand mitgebracht
und eine echte Abneigung gegen Montag früh.
    Während sie stehend einen blassen Tee in der
Stationsküche trank, erzählte ihr Schwester Theresa den Tratsch vom Wochenende.
    »...und dann hat Herr Guthmann für Sie
angerufen. Im ganzen neunmal.« Theresa lächelte mit Genuß. »Den hat’s
erwischt.«
    Katharina stellte ihre Tasse ab und sagte:
»Vielen Dank für den
    Tee.«
    Und ging. Es war drei Minuten vor halb acht. Um
halb acht war Ärztebesprechung. Von drei Minuten vor halb acht bis halb acht
leistete sie sich ein ganz privates Glücksgefühl. Neunmal angerufen!! Aber das
sollte er wirklich nicht. Schon wegen der Schwestern nicht.
    Übers Wochenende hatte es drei Neuzugänge
gegeben, eine Fehlgeburt. Eine Frau war gestorben. Die Frau erst achtunddreißig
Jahre alt. Sie hinterließ drei Kinder und war geschieden.
    Die drei Kinder der verstorbenen Frau waren mit
ihrem Großvater gekommen. Man überließ es Katharina, mit ihnen zu sprechen.
Alle schweren menschlichen Pflichten wälzte man auf sie ab.
    Danach war sie fertig und froh, daß es
wenigstens etwas Erfreuliches in ihrem Tagesablauf gab — den Gedanken an
Bastian Guthmann.
    Sie rief von der Telefonzelle aus bei ihm an, um
sicherzugehen, daß sie niemand dabei störte.
    Es tutete viermal, dann meldete sich eine
atemlose junge Frauenstimme: »Hallo?«
    Da Katharina nicht sofort antwortete, fragte sie
noch einmal ungeduldig: »Hallo? Wer ist denn da?«
    »Ist dort nicht Guthmann?«
    »Ja.«
    »Ist Herr Guthmann da?«
    »Nein. Der ist gerad runter. Einholen. Kann ich
ihm — « ein Aufschrei — »Moment, mir kocht was über — .«
    Katharina hängte langsam ein.
    Und hatte Mühe, sich an die Ernüchterung zu
gewöhnen, die in ihr stattfand.
     
    Bastian zog sich am Treppengeländer hoch, dabei
immer drei Stufen auf einmal nehmend. Ab zweitem Stock kam ihm ein wohlbekannter,
strenger Geruch entgegen.
    So roch die Treppe immer, wenn sie gescheuert
wurde, und die Hauswartsfrau, wenn sie dabei schwitzte.
    Bastian wechselte einen Gruß mit ihr und sagte,
was man eben so sagt, wenn man was sagen möchte und nichts Gescheites parat
hat. Er sagte: »Sein Sie nicht so fleißig, Frau Hübner.« Im dritten Stock
stellte Frau Lopinsky ihren Mülleimer vor die Tür — sie hatte noch ihre Schürze
um, aber schon einen Hut auf, was darauf schließen ließ, daß sie bald ausgehen
würde.
    »Ja, der Herr Guthmann!«
    »Tach«, sagte Bastian und wollte vorbei, aber
Frau Lopinsky wollte mit ihm reden.
    »Das Kleine ist ja süß. Was ganz was Herziges.«
    Bastian wußte im ersten Augenblick nicht, was
sie meinte, bis
    Frau Lopinsky »...und Ihnen wie aus dem Gesicht
geschnitten«

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