Der Bastian
seine Taschen, um sich
zu vergewissern, daß er genügend Geld bei sich hatte. Er fand nicht viel, aber
es reichte für ein gemeinsames Bier.
»Gehen wir irgendwohin?«
»Ich will mir Schuhe kaufen. Um vier muß ich
noch mal zum Dienst.«
»Darf ich mitkommen?« Bastian hielt ihr die Tür
zum Schuhgeschäft auf. »Ich kann Sie vielleicht modisch beraten? Ich habe einen
irren Geschmack.«
Oh, wie ging er Katharina schon wieder auf die
Nerven! Und wie herzlich froh war sie darüber.
Sie nahmen auf zwei Sesseln nebeneinander Platz.
»Was macht das Krankenhaus?«
»Danke, wir können nicht klagen. Wir sind immer
gut besucht.«
Eine Verkäuferin wurde vom Geschäftsführer auf
sie losgelassen. »Was darf’s denn sein?«
»Fräulein, wir möchten gern...«, hub Bastian an.
»...einen festen Wanderstiefel mit möglichst
starken Profilsohlen«, vollendete Katharina.
»Sagen Sie bloß, Sie wandern!«
»Sie nicht?«
Bastian schaltete schnell. »Doch. Gerne. Wann?«
»Sonntag«, schlug sie vor. »Ich habe zweimal
Nachtwache für einen Kollegen gemacht und dadurch den Sonntag frei. Sagen wir
so um fünf Uhr dreißig? Ich hol’ Sie ab.«
Sie sah ihn während ihres Vorschlags überlegend
an und freute sich plötzlich in einer Weise auf diesen gemeinsamen Wandertag,
die ihn hätte stutzig machen müssen. Aber Bastian war viel zu glücklich, um
etwas zu merken.
Als Susi am Sonntag früh in die Küche tappte, um
des schreienden Kathrinchens Flasche vorzubereiten, erlebte sie eine große
Überraschung. Auf dem Fensterbrett saß Bastian, rasiert, gekleidet und
taufrisch.
»Du schon?«
Er zog neue Schnürbänder in seine Clarks und
erklärte wichtig: »Ich geh’ wandern.«
Sie kam so nah an ihn heran wie eine
Kurzsichtige ohne Brille. »Du gehst was?«
»Wandern.«
»Du gehst wandern. Ich werd’ verrückt!«
Ihr übertriebenes Staunen ärgerte ihn. »Na und?
Wieso nicht?«
»Ausgerechnet du, der mit ‘m Auto zum
Briefkasten fahren würde — wenn er noch eins hätte — , bloß um nicht laufen zu
müssen.«
»Laufen und wandern ist nicht dasselbe«, sagte
Bastian und zog seine Schuhe an.
»Wo willst du denn wandern?«
»Das wissen wir noch nicht.« Er band sich einen
grobgestrickten Pullover um die Hüften.
»Wer wir?«
»Ein Freund und ich.«
Warum sagte er Susi nicht, daß er mit der Freude
wandern ging? Hatte er Angst vor ihren schnellen Tränen? War er wirklich so
rücksichtsvoll, wie er sich einzureden versuchte. Oder war er feige?
»Ich bin das letztemal in meiner Schulzeit
geausflugt«, lenkte er ab. »Wie ist das eigentlich? Nimmt man dazu immer noch
harte Eier mit?«
Susi wußte es auch nicht, aber sie wollte ihm
gern welche abkochen — falls welche da waren — Moment mal — .
Es waren keine da.
Und selbst wenn, es wäre zu spät gewesen, denn
an der Haustür klingelte es.
So steckte Bastian nur den Salznapf ein — »für
alle Fälle«, sagte er und »Servus, Susi.«
»Viel Spaß.« Mit ihrem traurigen Rehblick
verdarb sie ihm all den Spaß wieder, den sie ihm gerade gewünscht hatte.
»Was machst ‘n du heut?«
Sie hob ireudlos die Arme. »Was tut man schon am
Sonntag allein in der Stadt!«
»Geh mit Kathrinchen in den Englischen Garten«,
schlug er vor. »Geh wirklich, hörst du?« Er küßte sie auf die Wange und hatte
dabei ein schlechtes Gewissen und ärgerte sich gleichzeitig, weil er eins
hatte. Schließlich war er nicht ihr Ehemann, der sie am Sonntag sitzenließ,
nicht mal ihr Liebhaber, sondern ein freier Junggeselle, der wandern durfte,
mit wem er wollte. Jawohl.
Und also sittlich und rechtlich gestärkt,
richtete sich seine Stimme zu einem forschen »Alsdann — Susi — mach’s gut« auf.
Kaum war er gegangen, lief sie von Fenster zu Fenster, um auf die Straße zu
sehen. Aber das Dach stand zu weit vor. Die Regenrinne verdeckte die Fahrbahn
bis zur Hälfte.
So konnte sie nur akustisch seine Abfahrt
miterleben — das Zuklappen der Haustür, sein Lachen — ein sehr glückliches
Lachen — , dann das Zuschlägen einer Wagentür, das Geräusch eines anfahrenden
Autos.
Vor ihr lag ein endloser, einsamer Sonntag, an
dem sie genügend Zeit hatte, sich zu fragen, ob dieser Freund, mit dem Bastian
wandern ging, vielleicht eine Frau war.
Susi beschloß, sich heute sein Schubfach mit
gesammelten Briefen vorzunehmen. Den Schuhkarton mit all seinen Fotos hatte sie
schon mehrmals durchgeschaut.
Bastian fand es ungeheuer, mit Katharina Freude
durch den
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