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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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München, sagst du?«
    »Ja, Dietmar, und ich möchte dich herzlich
bitten, betrink dich nicht. Und vor allem, politisier nicht mit ihm. Ich denke
noch immer mit Schrecken an diesen jungen Menschen, den unsere Angelika das
letztemal mitgebracht hat. Was habt ihr euch gestritten!«
    »Das war nicht meine Schuld. Er hat angefangen«,
verteidigte sich Herr Freude.
    »Trotzdem. Du warst der Ältere.«
    »Und deswegen soll ich den Mund halten, wenn
hier einer herkommt und mich als Kapitalist und Ausbeuter beschimpft, bloß weil
ich von meinem Vater fünf Tagwerk Bauland geerbt habe? Rosi, du bist mein
Zeuge. Du weißt, wie oft ich das Land teuer an Baulöwen hätt’ verkaufen können.
Aber ich hab’s nicht verkauft, um unsere Gegend vor zum Himmel stinkenden, kahlschädeligen
Luxuskasernen zu bewahren. Ich wollte den Charakter der Landschaft erhalten!«
    »Ja doch, Dietmar, das weiß ich alles!«
    »Ich könnte heute vielfacher Millionär sein. Du
selbst hast mir zugeredet, zu verkaufen. Gib’s zu! Du denkst viel kapitalistischer
als ich. Du ja. Von uns beiden war ich immer der Linke. Aber ich bin gegen
jeden Radikalismus — egal, ob von rechts oder von links. Und das hab’ ich
Angelikas Freund auch gesagt. Das war mein gutes Recht. Oder?«
    »Natürlich, Dietmar.« Frau Freude zog sich
eilends ins Haus zurück, vom Zuhören erschöpft.
    Wenig später, als sie in der Küche den Mixer aus
seinem Fach nahm, um Schnee zu schlagen, dröhnte ihr Mann herein. »Rosi! Jetzt
weiß ich, wer der Guthmann ist.«
    »Guthmann?« fragte sie zerstreut.
    »Wir haben ihn bei den Kieslers auf der Jagd
kennengelernt.«
    »Welcher Jagd, Liebchen?«
    »Auerhahn.«
    Frau Freude überlegte und lächelte. »Ach so, der nette junge Mann. Und du glaubst, den holt unsere Kathi jetzt ab? Na, das wär’
doch ganz, ganz reizend, Dietmar!«
    »Sag’ ich ja«, brummte er und ging durch die
Küchentür über den kleinen Wirtschaftshof um die Hausecke in den Ziergarten
zurück, wo seine Mähmaschine auf ihn wartete.
    Und sie weckte alle Mittagsruhebedürftigen, die
inzwischen eingeschlafen waren, mit ihren süßen Tönen wieder auf.
     
    Zuerst war es mal wunderschön, Katharina auf dem
Bahnsteig zu sehen und in die Arme zu nehmen. Katharina ohne Krankenhaus im
Nacken. Ohne Berg vor Augen. Eine ausgeschlafene, blanke Katharina voll spröder
Zärtlichkeit.
    »Na, du?«
    »Na, endlich du!«
    Der Zug fuhr weiter.
    Sie standen noch immer da und freuten sich über
einander. »Müssen wir wirklich zu dir nach Haus? Können wir nicht türmen?«
fragte er in ihre duftenden Haarwirbel hinein. »Komm erst mal mit.« Sie nahm
ihn an die Hand und zog ihn aus dem Bahnhofsgebäude ein Stück die Straße
hinunter, dahin, wo ihr offener Wagen parkte.
    An seinem Steuer saß ein Deutsch-Kurzhaar mit
unbeschreiblich traurigem Gesicht, dessen Leidensausdruck seine flinken, hellen
Augen Lügen straften.
    »Kennst du den?« fragte Bastian, als sie den
Wagen erreichten.
    »Das ist Bruder Hermann«, sagte Katharina. »Er
setzt sich immer ans Steuer, wenn man ihn im Auto allein läßt. Hermann, hopp,
nach hinten. Er ist ein Jagdhund, der sich vorzüglich zum Wildern eignet, zu
sonst gar nichts — als Jagdhund. Mein Vater hat ihn trotzdem behalten,
wahrscheinlich aus demselben Grund wie seine drei Töchter, die als Söhne
geplant waren. Er gewöhnt sich so leicht an das, was er kriegt, und dann mag
er’s nicht mehr hergeben.«
    Sie bat Hermann noch einmal in höflicher Form,
auf dem Rücksitz Platz zu nehmen, was dieser nach der siebten Aufforderung
umgehend befolgte, und sagte zu Bastian: »Steig ein.« Aber Bastian mochte
nicht.
    Weil Bruder Hermann seine leicht vergilbten
Zähne entblößte und abschlägig knurrte.
    »Er tut nichts«, versicherte Katharina.
    »Weiß Hermann das auch?«
    Bastian hatte Erfahrung mit großen Hunden, seit
der Zeit, wo er Aushilfsfahrer bei einer Getränkefirma gewesen war. Am meisten
fürchtete er Schäferhunde. Das lag an ihren Besitzern. Die drückten auf den
Summer, man trat ahnungslos in den Garten, von irgendeiner Seite schoß eine
Bestie auf einen zu. Vom Haus her rief jemand beruhigend: »Kommen Sie ruhig
herein. Der tut nichts!« — und überließ einen danach seinem Schicksal. Machte
man einen Schritt, fuhr einem die Bestie in die Hosen. Hob man die Hand, weil
es einen unwiderstehlich an der Nase juckte, fuhr einem die Bestie an den Arm.
Also stand man da wie ein hypnotisiertes Kaninchen oder wie Frau Lot, die
biblische

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