Der Bastian
Katharina wirklich eine höhere Tochter mit Medizinstudium und Susi
Schulz eine Sentimentale aus der Werther-Zeit. Leider besaß sie so gar keinen
Humor. Aber der hätte auch nicht zu ihr gepaßt, überlegte Bastian.
»Ich habe dem Kaps sogar schon mal ein Regal
gezimmert. Er ist ja technisch etwas unbeholfen. Aber dafür näht er gut. Und
häkelt.«
»Das wird meine Großmutter unendlich beruhigen.«
Bastian goß ihr noch einen Schnaps ein.
Inka Hauswurz saß bei ihm von sieben bis zehn.
Bastian gefiel ihr äußerlich als Typ. Er schien auch einen ganz ordentlichen
Charakter zu haben. Es fehlte ihm bloß an Tatkraft und vor allem an politischem
Bewußtsein. Der Junge dachte zu privat. Aber das lag wohl auch an dem Umgang,
den er bisher gehabt hatte.
»Die Hausschlüssel gebe ich beim Hauswart ab«,
sagte er, als er sie hinausbrachte. »Ich hab’ bloß dieses eine Paar.«
Inka versprach, ihn und Kaps am nächsten
Wochenende zu besuchen.
»O ja, das ist gut«, sagte er, »wir haben
bestimmt viel Arbeit für Sie.«
Und dann stand er noch eine Weile am geöffneten
Fenster und schaute auf die Hofkastanie. Ihre Blätter waren noch dunkelgrün,
aber sie rauschten schon herbstlich. Jedenfalls hörte es sich für Bastian in
seiner Abschiedsstimmung so an. Katharina, dachte er, ach, Kathinka. Warum?!
Der Taxichauffeur, der Bastian zum Bahnhof fuhr,
meinte, das würde ein reichlich umständliches Reisen bei so viel Gepäck werden.
Dabei waren noch gar nicht seine Bücherkisten und Kartons mit dem Geschirr und
seinen Bildchen dabei und seine Gitarre. Die würde ein Vertreter für
dental-medizinischen Bedarf in seinem Kombiwagen mitnehmen, wenn er nächste
Woche Niederbayern bereiste. Klappzahn hatte das arrangiert.
Mit einem Träger zusammen lud Bastian seine Habe
vom Gepäckkarren in ein Zweiter-Klasse-Abteil, in dem nur ein Herr saß.
Derselbe sah anfangs interessiert, dann zunehmend besorgter zu, wie sich die
Gepäcknetze über ihm und gegenüber und die Sitze um ihn herum mit verschnürten
Kartons und Betten und Koffern und Tragetüten und Taschen füllten. »Sind Sie
Gastarbeiter?« erkundigte er sich.
»Ja«, sagte Bastian. »Aber ich steige schon in
Plattling aus.« Er ging auf den Gang, zog ein Fenster hinunter und suchte den
Perron ab nach einem bekannten Gesicht.
Er hoffte auf Katharina, aber er wußte nicht
recht, ob es gut war, wenn sie kommen würde. Bahnhofsabschied ist immer blöd.
Zumindest seine Großmutter erwartete er. Sie
ließ sich doch sonst keine Gelegenheit zum Weinen entgehen. Warum kam sie
nicht?
Um dreizehn Uhr sieben sollte sein Zug abfahren.
Um zwölf Uhr sechsundfünfzig sah er eine
schwerbepackte Truppe von der Sperre her suchend am Zug entlangeilen — voran
seine aufgeregte Großmutter, dann Susi mit Kathrinchen auf dem Arm und neben
ihr der lange Klappzahn.
Über Susi und Kathrinchen wehte ein Luftballon
mit einem Mondgesicht.
Martha Guthmann schimpfte hinter sich: »Jetzt
finden wir ihn nicht — ich hab’ gleich gesagt, wir sollen früher los, aber ihr
mußtet ja noch schmusen.«
»Beruhige dich, Großmama, wir finden ihn schon«,
versicherte Karl, dem ihre laute Aufregung peinlich war.
Susi sah Bastian zuerst. Sie winkte ihm mit dem
Luftballon zu. Bastian winkte zurück und ließ sich auf den Bahnsteig fallen —
so sah es zumindest aus, als er den Zug verließ.
»Ach, Bub — nun gehst du wirklich fort«, sagte
Großmutter, vom Abschied überwältigt.
»Es ist ja nicht bis Australien.«
»Omi hat sich schon ein Kursbuch gekauft«, sagte
Susi.
»Ich muß doch nach dir schauen kommen, Bub. Aber
sag mal, warum fährst du nicht morgen früh oder heut abend mit einem
durchgehenden Zug?«
Das wußte Bastian auch nicht. »Wahrscheinlich,
weil ich mir nur den einen hab’ ‘raussuchen lassen. Kaps hat auch nicht dran
gedacht.«
»Denkt ihr überhaupt?« erkundigte sich Karli.
»Aber dreizehn Uhr sieben ist eine gute Zeit zum
Reisen«, sagte Susi. »Zwei Glückszahlen.«
»Die Dreizehn bringt mir immer Pech«, sagte
Bastian.
»Aber die Sieben macht’s wieder gut.«
»Demnach hat es dieselbe Wirkung, als ob er um
acht Uhr einunddreißig fährt«, meinte Karli.
»Da geht aber keiner«, sagte Großmutter und hob
eins ihrer Päckchen hoch. »Ihr habt bestimmt kein Bügeleisen da draußen in der
Fremde.«
»Bestimmt nicht«, versicherte Bastian.
»Das dachte ich mir. Ich hab’ eins besorgt.
Hier. Eins mit Wasserdampf. Da braucht ihr vorher nicht einzusprengen. Und
Weitere Kostenlose Bücher