Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
Vom Netzwerk:
zurückgekehrt ist, aber wir könnten Boten losschicken und hoffen, dass wenigstens einer von ihnen ankommt.«
    »Das ist überflüssig«, befand Sesostris. »Keiner der drei Provinzfürsten, mit denen wir uns noch auseinander zu setzen haben, wird dieser Tatsache viel Bedeutung beimessen.«
    »Ich teile die Meinung unseres Herrn«, bekräftigte Nesmontu. »Uakha ist ein ungeschlachter Kerl, Djehuti ist aus Granit und Chnum-Hotep ein eitler Mann, der auf keines seiner Vorrechte freiwillig verzichten wird! Mit diesen drei Männern kann man nicht verhandeln.«
    »Trotzdem sind sie vermutlich verblüfft über die Erfolge des Pharaos«, widersprach Sehotep. »Deshalb müssen Verhandlungen nicht zwangsläufig scheitern.«
    »Unser nächstes Ziel ist ganz nah«, sagte Sesostris, »weil es sich um die andere Hälfte des Sykomorengaus handelt. Vergeuden wir unsere Zeit nicht mit sinnlosem Reden.«
    »Wollt Ihr einen geballten Angriff?«, fragte Nesmontu.
    »Wir wenden weiterhin meine Mittel an«, entschied der Pharao.

 
54
     
     
     
    Die junge Priesterin hatte einen siebenarmigen Stern auf dem Kopf und trug ein Kleid, das wie ein Pantherfell aussah und mit fünfarmigen, kreisförmig angeordneten Sternen übersät war. Sie schrieb die Worte der Macht auf, die die Königin von Ägypten gesprochen hatte, als sie gekommen war, um die Gemeinschaft der sieben Hathoren zu leiten.
    Ihre Schrift war zierlich und genau, und ihre Worte wurden als würdig befunden, in den Schatz der weiblichen Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Diese »andere Art zu reden«, wie es in heiliger Sprache hieß, sollte an die Nachkommen weitergegeben werden, um ihre Überlegungen zu bereichern.
    Als die Eingeweihten hinter der Königin den Tempel verließen, war die junge Priesterin ganz aufgewühlt von wirren Gedanken. Warum hatte ihr ihre Herrin angekündigt, dass sie dieses Heiligtum würde verlassen müssen, um eine gefährliche Schlacht zu schlagen? Und warum hatte auch der kürzlich verstorbene Oberpriester der Bruderschaft noch von schrecklichen Feinden gesprochen, denen sie sich würde stellen müssen?
    Seit sie kein kleines Kind mehr war, war sie ausschließlich von der Welt des Tempels begeistert. Verglichen mit den Geheimnissen, die er barg, kam ihr die übrige Welt reichlich langweilig vor. Nachdem sie die Hieroglyphen kennen gelernt hatte, die ihr eine gebildete Priesterin beibrachte, hatte sie sich voller Schwung in dieses Spiel mit den schöpferischen Kräften gestürzt, die die Ur-Schriftzeichen offenbarten. Indem sie die Namen der Gottheiten schrieb, entdeckte sie ihr verborgenes Wesen, wie zum Beispiel das der Göttin Hathor, die »Haus des Horus« bedeutete, den heiligen Ort, an dem das Blitzlicht der Initiation leuchtete. Im ersten Teil ihres Namens war außerdem der Begriff hat enthalten, der schöpferisches und nährendes Wort bedeutete. Und die sieben Hathoren nährten eben genau das Licht durch dieses Wort in all seinen Formen, von der rituellen Sprache bis hin zur Musik.
    Jeder Schritt weiter war – sowohl körperlich als auch geistig – eine harte Prüfung gewesen, aber die junge Priesterin hatte weder Angst vor den Anstrengungen noch vor der schwierigen Arbeit, die notwendig war, wollte sie auf diesem Weg vorwärts kommen. Bedeutete das alles nicht eine unerschöpfliche Quelle der Freude?
    Nun war sie zum ersten Mal in ihrem Leben verunsichert. Und diese Verstörtheit verschwand weder, während sie schlief, noch, wenn sie ihren täglichen Aufgaben nachging.
    Jeden Morgen und jeden Abend machten die Priesterinnen Musik, um die Lebenskraft von Osiris’ Akazie zu wecken, deren Zustand unverändert war. Dabei hatte die junge Frau manchmal Schwierigkeiten, sich zu sammeln, und zwar wegen dieses seltsamen, unbekannten Gefühls, das sie nicht unterdrücken konnte.
    Sie ging auf die Baustelle für Sesostris’ ewige Ruhestätte, wo sich ein Handwerker gerade an einem beschädigten Werkzeug verletzt hatte. Das war zwar nur ein harmloser Zwischenfall, aber er belastete die Stimmung zusätzlich, weil der Handwerker ein Fachmann war und sich dadurch gedemütigt fühlte.
    Sie reinigte die Wunde mit Calendula-Tinktur und machte eine Honigkompresse, die sie mit einem Leinenverband umwickelte.
    »Die Unfälle häufen sich«, klagte der Baumeister. »Ich treffe immer mehr Vorsichtsmaßnahmen, aber es nützt einfach nichts. Die Arbeit geht immer langsamer voran, und manche behaupten, die Baustelle stünde unter einem bösen Stern. Könnt

Weitere Kostenlose Bücher